Rück- und Ausblick auf die St.Galler Landwirtschaft 2022

Das Jahr 2022 war unter anderem geprägt von Trockenheit, der Massentierhaltungsinitiative und der Wolfspräsenz. Auch im nächsten Jahr stehen weitere Aufgaben an. Mathias Rüesch, Geschäftsführer des St.Galler Bauernverbands blickt im Interview zurück – und nach vorne.

Die Ernte-Challenge der Weltrekordkartoffeln, zusammen mit FM1-Morgen Joe und Nationalrat Mike Egger, war ein öffentlichkeitswirksamer Anlass. Bild: zVg.

Wo drückte der Schuh die Bäuerinnen und Bauern im 2022 am meisten?

Mathias Rüesch: Der Schuh drückte an verschiedenen Stellen: Die Abstimmung zur Massentierhaltungsinitiative war eines der Themen, das beschäftigte, die ganzen neuen Massnahmen im Direktzahlungsbereich ein anderes.

Die Massentierhaltungsinitiative trieb die Landwirte um. Allerdings, so schien es, war der Kampfgeist nach den Agrar-Initiativen ein Jahr zuvor etwas erloschen. Täuscht der Eindruck?

Rüesch: Es ist schwierig, über Jahre hinweg permanent auf Hochtouren zu fahren. Der Abstimmungskampf zur Massentierhaltungsinitiative hatte eine ganz andere Dynamik, als die beiden Agrarinitiativen ein Jahr zuvor. Grundsätzlich habe ich mich über das deutliche Abstimmungsergebnis im Verbandsgebiet gefreut und möchte die Gelegenheit an dieser Stelle nutzen, mich bei den Bäuerinnen und Bauern für ihr grosses Engagement bedanken.

Der Wolf scheint ein Dauerthema zu sein. Im Bundeshaus ist ein neuer Anlauf gestartet, um die Jagd zu vereinfachen. Sind Sie zufrieden damit?

Rüesch: Leider kommen wir nur in kleinen Schritten vorwärts, währenddessen die Vermehrung der Wölfe immer noch unkontrolliert passiert. Immerhin bewegt sich die Politik in die richtige Richtung. So lange keine konsequente Bestandsregulierung möglich ist, können wir nicht zufrieden sein. Der nächste Sommer wird, speziell in den Sömmerungsgebieten, eine Herausforderung. Die Erfahrung lehrt uns, dass bereits im Frühling auf den Heimbetrieben mit Rissen zu rechnen ist.

Wie prekär war die Situation mit der Trockenheit in diesem Sommer im Kanton St.Gallen?

Rüesch: Je nach Region waren unsere Bäuerinnen und Bauern unterschiedlich betroffen. Es gibt Betriebe die effektive Ertragseinbussen zu verzeichnen haben und wieder andere bei solchen Witterungsumständen positive Erträge generieren können. Gerade auf den Alpen wurden aufgrund der Erkenntnisse aus den Vorjahren Massnahmen ergriffen und die Wasserfassungen optimiert oder neue Speichermöglichkeiten geschaffen.

Die Massentierhaltungsinitiative beschäftigte die Landwirtschaft. Bild: Willi Schmid

Wir stecken mitten in einer Energiekrise. Wie hart trifft dies die St.Galler Landwirtschaft?

Rüesch: Aktuell stufen Experten die Lage bezüglich Stromversorgung im Winter 2022/2023 als weniger angespannt ein, als auch schon. Kritischer sieht es hingegen in den kommenden Jahren aus. Der Bund schlägt stufenweise Massnahmen für die Reduktion des Stromverbrauchs vor und hat diese in eine Vernehmlassung gegeben. Die Landwirtschaft ist je nach Massnahme und Stufe direkt oder indirekt über die Abnehmer betroffen.

Wie unterstützt der St.Galler Bauernverband die Landwirte hinsichtlich dieser Herausforderungen?

Rüesch: Der St. Galler Bauernverband setzt sich dafür ein, dass das Tierwohl sowie die Lebensmittelversorgung sichergestellt sind. Deshalb unterstützen wir die Forderungen des Schweizer Bauernverbands bezüglich einer Ausnahme der Landwirtschaft und der gesamten Nahrungsmittelindustrie von Bewirtschaftungsmassnahmen analog dem Sonderstatus in der Coronapandemie und des Sonderstatus des Lebensmittelsektors gemäss der Europäischen Kommission.

Die Schleppschlauchpflicht ist «in Stein gemeisselt». Trotzdem gibt’s noch Unsicherheiten. Welche sind das?

Rüesch: Leider ziehen sich die Diskussionen mit den kantonalen Stellen und den Gemeinden die für den Vollzug zuständig sind schon lange hin und werden auch noch weitere Zeit in Anspruch nehmen. Es wurden und werden seitens Bauernverbands verschiedene Lösungsansätze eingebracht, mit dem Ziel ein praxisnahes, umsetzbares und für die Landwirte tragbares Resultat zu erzielen.

In der Geschäftsstelle des St.Galler Bauernverbands in Flawil wurde Platz für eine neue Fachstelle geschaffen. Im März nahm Falun (Fachstelle für Landwirtschaft, Umwelt und Natur) den Betrieb auf. Wird das Angebot genutzt?

Rüesch: Es ist richtig, Falun nahm im Frühling 2022 seine Tätigkeit auf. Die Initiative kam von Seiten des St. Galler Bauernverbands. Letztlich handelt es sich aber um ein unabhängiges Unternehmen mit hervorragenden Fachleuten die bei ihrer Tätigkeit den landwirtschaftlichen Aspekt nicht vergessen. Aktuell gibt es verschiedene ökologische Themen, welche die Landwirtschaft sehr stark betreffen. Beispiele sind die Gewässerraumausscheidungen, die Festlegung von Schutzzonen, der Umgang mit Moorflächen – die Liste lässt sich beliebig erweitern.

Sie sind noch ziemlich «frisch» beim St.Galler Bauernverband. Sie haben Ihre Stelle als Geschäftsführer im April angetreten. In einem Interview im «St.Galler Bauer» im Mai sagten Sie, dass sie die Öffentlichkeitsarbeit des Verbands stärken wollen. Ist Ihnen das gelungen?

Rüesch: Ja. Es ist uns zum Beispiel gelungen mehr als die Hälfte der Kantonsrätinnen und Kantonsräte sowie fünf von sieben Regierungsmitgliedern im Rahmen eines Events mit den Jubiläumskartoffeln auf dem Marktplatz in St. Gallen für das Thema der produzierenden St. Galler Landwirtschaft zu sensibilisieren. Auch die Ernte-Challenge dieser Kartoffeln, zusammen mit dem FM1-Morgen Joe und Nationalrat Mike Egger war ein öffentlichkeitswirksamer Anlass. Zusätzlich bewirtschaften wir Social Media intensiver. So konnten wir mit einem unserer Reels (Kurzvideo, Anmerkung der Redaktion) auf Instagram innert kürzester Zeit rund 200’000 Views generieren, was für die Grösse des Profils stgaller.landwirtschaft schlicht sensationell ist.

Welche Projekte stehen in der Öffentlichkeitsarbeit im 2023 in der Geschäftsstelle an?

Rüesch: Neben den Auftritten an der Tier & Technik und der Olma, der Organisation des Publikumsmagneten «vo Puur zu Puur» möchten wir einen speziellen Fokus auf unser Angebot «Schule auf dem Bauernhof» legen. Es ist mir wichtig, möglichst vielen St. Galler Schulkindern die Möglichkeit zu geben, Eindrücke auf Bauernhöfen zu sammeln. Diese Besuche werden zudem oft im Rahmen des Lehrplans behandelt.

Nächstes Jahr ist ein Wahl-Jahr. Im Frühling sind die Ersatzwahlen in den Ständerat und im Oktober werden die Köpfe für den National- und Ständerat gewählt. Ziel ist es ja, möglichst viele bäuerliche Personen in die Räte zu bringen. Hat der SGBV eine Strategie?

Rüesch: Richtig – eine starke bäuerliche Vertretung in Bern hilft uns sehr. Ein erstes Treffen mit den regionalen bäuerlichen Organisationen, auch im Hinblick auf die Kantonalen Wahlen 2024, hat bereits stattgefunden. Selbstverständlich werden wir uns mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln im Rahmen dieser Wahlen engagieren und den bäuerlichen Kandidatinnen und Kandidaten auf unseren Plattformen die Möglichkeit geben, sich zu positionieren. Zusätzlich hilft uns sicher auch die nationale Kampagne «Perspektive Schweiz» für eine wirtschafts- und landwirtschaftsfreundliche Politik, die dafür sorgen soll, dass die Bevölkerung ganz generell auf unsere Themen aufmerksam gemacht wird.

Welche Herausforderungen stehen im neuen Jahr grundsätzlich an?

Rüesch: Nebst den politischen Themen, den neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen, der allgemeinen Energie- und Wirtschaftslage und den Herausforderungen im Zusammenhang mit den Wölfen liegt mir viel daran, die vielfältige St. Galler Landwirtschaft mit positiven Geschichten in den Fokus zu rücken. Dies kann via Social Media sein, gerne auch über die klassischen Medien- und Kommunikationskanäle. Die St. Galler Bäuerinnen und Bauern leisten so viel Gutes für die Bevölkerung, für unsere Umwelt und unseren Kanton. In diesem Zusammenhang wird es übrigens auch spannend sein, zu sehen wie die Leserinnen und Leser des «St. Galler Bauer» die neue Online-Version schätzen und nutzen. Auf Feedbacks aus der Online-Community bin ich ebenso wie die Redaktion gespannt.

Mathias Rüesch, St. Galler Bauer
Mathias Rüesch, Geschäftsführer des St.Galler Bauernverbands.

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