51. Delegiertenversammlung des St. Galler Bauernverbands

Am vergangenen Mittwoch fand in Mörschwil die Delegiertenversammlung des St. Galler Bauernverbands (SGBV) statt. Im Zentrum stand der schwindende Selbstversorgungsgrad und die künftige Agrarpolitik. Zwei Regierungsräte äusserten sich in einem Talk zur St. Galler Landwirtschaft.

Geschäftsführer Mathias Rüesch, Präsident Peter Nüesch und Philipp Schönenberger, Vizepräsident (v.l.), führten durch die Versammlung.
Geschäftsführer Mathias Rüesch, Präsident Peter Nüesch und Philipp Schönenberger, Vizepräsident (v.l.), führten durch die Versammlung.

Peter Nüesch, Präsident des St. Galler Bauernverbands (SGBV), zeichnete in seiner Eröffnungsrede ein eher pessimistisches Bild zur Landwirtschaft. Bereits das vergangene Jahr war geprägt von kleineren Erträgen, höheren Kosten und tieferen Produzentenpreisen. «Sorgen macht mir vor allem die Entwicklung der einheimischen Nahrungsmittelproduktion. Diese ist rückläufig, der Selbstversorgungsgrad ist am Sinken», sagte Nüesch vor über 250 Delegierten und zahlreichen Gästen aus Politik und Verbänden im Gemeindezentrum in Mörschwil.

Selbstversorgungsgrad sinkt

2021 betrug der Selbstversorgungsgrad noch 45 Prozent. Nüesch erinnerte an die Abstimmung 2017 zur Ernährungssicherheit (78,7 Prozent Ja-Stimmen). Ziel der Abstimmung sei eine Selbstversorgung von über 50 Prozent. Er wies auf die grossen, auch globalen Herausforderungen hin, die Menschen mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Die Gründe für Minderproduktionen seien vielfältig. So nennt er zum Beispiel das stetig rückläufige Einkommen in der Schweizer Landwirtschaft. Aber auch die massiv gestiegenen Rohstoff- und Energiepreise, ausgelöst durch die Coronapandemie und den Ukraine-Krieg. Die Produktionskosten der Bauernbetriebe seien im Schnitt um etwa 14 Prozent höher als 2020. Ebenfalls fehlen bereits 67 Wirkstoffe, die aus der Pflanzenschutzmittelverordnung verschwunden sind. 511 Produkten wurde die Bewilligung entzogen. «Damit verlieren die Schweizer Landwirte wichtige Instrumente zur Sicherung ihrer Ernten.»

Nüesch kritisierte auch die überbordende Agrarpolitik mit 4500 Kontrollpunkten, die für die unternehmerische Landwirtschaft nicht förderlich seien. «Die Unzufriedenheit in der Basis zeigt sich auch in den aktuellen Kundgebungen.» Nüesch bedankte sich dafür, dass diese friedlich, aber dennoch mit klaren Botschaften und Forderungen durchgeführt wurden. Das Ziel der Bauern sei es, die Schweizer Nahrungsmittel wieder auf den richtigen Pfad zu bringen. «Dazu braucht es nebst der Politik auch bessere Preise am Markt.»

Die Landwirtschaft weiss, wie sie die Politik von ihren Anliegen überzeugen kann. Doch für Markus Ritter, Nationalrat und Präsident des Schweizer Bauernverbands, ist klar, dass man da noch zwei, drei Scheiter drauflegen muss. In seiner Rede zeigte er auf, wo sich die Schweizer Landwirtschaft befindet und was auf sie zukommen könnte. Er blickte zurück auf vergangene Abstimmungen und die Erfahrungen und Erkenntnisse, die man daraus gewonnen hat. Er wies darauf hin, dass die Parlamente und Räte bürgerlich besetzt sein müssen, um den Anliegen der Landwirtschaft Gehör verschaffen zu können. Er forderte die Delegierten dazu auf, für den zweiten Wahlgang der Regierungsratswahlen am 14. April nochmals zu mobilisieren. Ziel ist es, Christof Hartmann und Dana Zemp den Weg zu ebnen.

Er blickte weit voraus auf die Agrarpolitik (AP) 2030. «Der Zug wird heute auf die Schiene gesetzt. Wichtige Entscheide werden heute schon gefällt.» Es sei wichtig, Gas zu geben und die Politik wirtschafts- und landwirtschaftsfreundlich auszubauen. Die Herausforderungen in den nächsten Jahren sind enorm: Selbstversorgungsgrad, Kulturlandverlust, Bevölkerungswachstum.

Eine weitere Herausforderung bildet auch die Biodiversitäts-Initiative, über welche die Bevölkerung am 22. September abstimmt. Markus Ritter stellte die Kampagne des Schweizer Bauernverbands vor. Das Ziel: ein deutliches Nein an der Urne. Über die Initiative und die Kampagne des Bauernverbands wird der «St. Galler Bauer» zu einem späteren Zeitpunkt berichten.

 

Regierungsräte im Talk

Beat Tinner, Regierungsrat und Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements, sowie Bruno Damann, Regierungsrat und Vorsteher des Gesundheitsdepartements, wurden vom SGBV zu einem Talk eingeladen. Peter Nüesch fühlte den beiden zum Thema St. Galler Landwirtschaft auf den Zahn.

Der SGBV-Präsident wies auf die wirtschaftliche Situation der Landwirtschaft und die Kundgebungen hin. «Ich gehe davon aus, dass diese Kundgebungen auch von der Regierung wahrgenommen werden. Was muss sich ändern, damit die Landwirtschaft wieder mehr Wertschätzung erfährt?» Beat Tinner antwortete darauf, dass in der Schweiz und im Kanton St. Gallen die bäuerlichen Kreise gut vertreten seien. Die Landwirtschaft könne ihre Interessen kundtun. «Doch die Regierung hat auch noch andere Interessen», meinte Tinner. «Insgesamt ist die St. Galler Regierung sehr bauernfreundlich, auch wenn bei gewissen Themen eine differenzierte Haltung vorhanden ist.»

Er verstehe, dass der Direktzahlungskatalog und die Administration Frustpotenzial beherberge. Die Landwirtschaft befinde sich in einem Dilemma. Der Direktzahlungskatalog werde breiter, dafür würden die Kontrollen erhöht. Es gelte, aus diesem Dilemma herauszukommen.

Bruno Damann zeigte Verständnis für die Kundgebungen der Bauern und erinnerte daran, dass auch die Pflegenden auf die Strasse gingen, als es um den Stellenabbau in St. Galler Spitälern ging. «Das ist ihr gutes Recht.» Die Schweiz habe aber auch die Tendenz, immer mehr Vorschriften zu erlassen. «Da sollten wir wieder einen Schritt zurückgehen. Ob uns das gelingt?»

Die Regierungsräte Bruno Damann und Beat Tinner (rechts) diskutierten über die Landwirtschaft.
Die Regierungsräte Bruno Damann und Beat Tinner (rechts) diskutierten über die Landwirtschaft.

Fehlende Medikamente

Das Amt für Verbraucherschutz und Veterinärwesen (AVSV) ist im Gesundheitsdepartement angegliedert. Sowohl im Veterinärbereich als auch in der Humanmedizin fehlen Medikamente. Die Situation spitzt sich zu. Nüesch wollte wissen, wie die Regierung Einfluss nehmen kann. «Als Kanton haben wir keine grossen Chancen. Die Produktion der Medikamente ist nach China und Indien ausgelagert. Nun erhalten wir die Retourkutsche», sagte Damann. Er fügte hinzu: «Wir müssen die Produktion wieder nach Europa holen.»

Nüesch wechselte das Thema und stellte die Bildung respektive die Idee einer Fachhochschule für Agronomen in den Fokus. «Gibt es eine Zusammenarbeit und Weiterentwicklung mit anderen Kantonen?», Tinner bejahte. Gerade mit dem Kanton Thurgau sei man daran, betreffend Fachhochschule eine Lösung zu finden. Man habe auch Interesse daran, das Landwirtschaftliche Zentrum zu positionieren. Auch im Bereich Herdenschutz und Grossraubtiere sei man mit anderen Kantonen im Austausch.

«Letzten Winter wurden die Wölfe im Calfeisental mit grossem Engagement bejagt. Trotzdem wurden nur zwei Wölfe erlegt. Gibt es Vorbereitungen für den nächsten Winter?», richtete Nüesch die Frage an Tinner. Dieser argumentierte, dass das Amt für Natur, Jagd und Fischerei (Anjf) mit sieben Wildhütern bescheiden besetzt sei. Prozentual gesehen seien zwei Wölfe dennoch ein gutes Ergebnis im schweizweiten Vergleich.

Bildungsbeitrag erhöht

Nach dem Talk wurde der geschäftliche Teil abgehandelt. Die Delegierten winkten alle zur Abstimmung stehenden Traktanden einstimmig durch. Auch die Erhöhung des Bildungsbeitrags von Fr. 1.90 auf drei Franken pro Hektare wurde einstimmig und diskussionslos gutgeheissen. Eine Erhöhung war nötig, weil der Bildungsfonds leer ist. Bereits auf das Schuljahr 2023/24 wurden überbetriebliche Kurse (üK) für den Umgang mit Hebefahrzeugen eingeführt. Die Mehrkosten dieser überbetrieblichen Kurse belaufen sich auf 37 000 Franken.

Weitere Bilder der DV sind hier aufgeschaltet.

Seuchensituation im Kanton St. Gallen

Albert Frische, Amtsleiter des Amts für Verbraucherschutz und Veterinärwesen (AVSV), erläuterte an der Delegiertenversammlung die Seuchensituation in der Schweiz.

Vogelgrippe: Bezüglich Vogelgrippe war es im Winter 2023/24 ruhig. Die Situation ist jedes Jahr anders. Das Virus ist sehr ansteckend und kann auch für Menschen gefährlich werden. Die Tierseuchengruppe SG, AR, AI, FL übt im April den Ernstfall auf einem Geflügelbetrieb.

ASP: Entgegen der ursprünglichen Erwartungen nähert sich die Afrikanische Schweinepest derzeit aus Italien der Schweiz. Es sind nur noch rund 50 Kilometer bis zur Tessiner Grenze. Die Situation ist angespannt.

Tuberkulose: Die Situation bei Hirschen im Vorarlberg ist unverändert angespannt.

BVD: Schweizweit sind noch 0,04 Prozent der Betriebe gesperrt, 58 Einzeltiere sind betroffen. 99,78 Prozent der Betriebe sind BVD-frei. Die Schlussphase der BVD-Sanierung wird auf 2026 angestrebt. Die Rinderhalter werden direkt informiert.

Moderhinke: In jeder vierten Schweizer Herde ist die Moderhinke nachgewiesen. Im Oktober beginnt die Sanierung. Sie dauert fünf Jahre. Die Schafhalter werden vom Bestandestierarzt besucht. Bei den Schafen werden stichprobenweise Tupferproben genommen. Positive Herden müssen saniert werden. meg.

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