Landwirtschaft braucht Mehrheiten

Wer genug vom politischen Druck auf die Landwirtschaft hat, muss am 22. Oktober richtig wählen. Das war die Botschaft des Sommeranlasses der Rheintaler Vereinigungen, an dem Martin Rufer, Direktor des Schweizer Bauernverbands (SBV), referierte.

Die Vorstände der Landwirtschaftlichen Vereinigung Rheintal und der Bäuerlichen Vereinigung Unteres Rheintal luden am vergangenen Freitag zum gemeinsamen Sommeranlass auf den Hof von FDP-Nationalratskandidat Peter Nüesch in Widnau. Über 130 Personen folgten der Einladung und besichtigten zunächst die neue Biomasseheizung der dort ansässigen Rhybiogas AG. Seit rund fünf Wochen ist diese nun in Betrieb. Die Heizung produziert eine Million Kilowattstunden Wärme pro Jahr. Dazu verbraucht sie 700 Tonnen Brennmaterial. Dieses stammt aus dem Holzanteil der Grünabfälle, die zur Verwertung an die Biogasanlage geliefert werden. «Holz kann nicht vergärt werden», vereinfacht Stefan Britschgi, Geschäftsleiter der Rhybiogas AG, das Problem.

Stefan Britschgi (rechts) führt Martin Rufer, Direktor des Schweizer Bauernverbands, durch die Biomasseheizung.
Stefan Britschgi (rechts) führt Martin Rufer, Direktor des Schweizer Bauernverbands, durch die Biomasseheizung.

Bisher wurde das Holz, das nicht in die Gärsilos eingespeist werden konnte, nach Buchs zur Kompostierung weitertransportiert. Die Vergärung von Gülle und Pflanzenresten zu Biogas benötigt Wärme. Um die nötige Wärme zu produzieren, kauft die Rhybiogas AG zusätzlich Gas ein. Einerseits Holz als Heizmaterial von der Anlage abzuführen und andererseits Gas teuer einzukaufen, erschien dem Verwaltungsrat der Rhybiogas AG wenig sinnvoll. Zumal die Gaspreise anlässlich der Energiekrise explodierten. «Da musste etwas getan werden», so Stefan Britschgi. Doch zunächst rieten alle vom Vorhaben ab. Dennoch wurde die Idee weiterverfolgt, die Zonenkonformität geprüft, Baugesuche eingereicht. Die Rhybiogas AG konnte schliesslich alle Hürden aus dem Weg räumen, hat eine Million Franken investiert und verwertet nun auch einen grossen Teil des angelieferten Holzmaterials. Das angelieferte Grünmaterial wird zunächst geschreddert und gesiebt. In diesem Prozess wird der Holzanteil ausgesondert. Die Häcksel werden zunächst gelagert, damit sie austrocknen können, bevor sie der Biomasseheizung zugeführt werden. Die Heizung verbrennt bis zu sechs Kubik Brennmaterial pro Tag.

Zahlen sprechen für sich

Auch Martin Rufer, Direktor des Schweizer Bauernverbands (SBV), verfolgte mit grossem Interesse die Führung durch die Anlagen der Rhybiogas AG. Danach sprach er über die Herausforderungen der Landwirtschaft. Als Erstes stellte er klar: «Die Gesellschaft steht hinter der Landwirtschaft und die Konsumenten wollen, was die Schweizer Landwirtschaft produziert.» Auch wenn gewisse Kreise das Bild von 100 Prozent Bio vermitteln wollen, würden die Zahlen für sich sprechen: elf Prozent beträgt der Biomarktanteil in der Schweiz, 0,6 Prozent der Bevölkerung ernähren sich vegan und 4,5 Prozent vegetarisch. Die Landwirtschaft hat am Markt in den letzten zehn Jahren rund eine Milliarde Franken zulegen können. «Und diese Zunahme stammt fast ausschliesslich aus der tierischen Produktion», so Martin Rufer. Politisch seien künftig drei wichtige Themen zentral: Als Erstes die Weiterentwicklung der Agrarpolitik, die bisher im Vierjahresrhythmus Auflagen geschärft und Detailauflagen vorwärtsgetrieben hatte. «Heute sind wir an einem Punkt, an dem niemand mehr die Agrarpolitik versteht: Weder Betriebsleiter, noch Verwaltung oder Kontrolleure.» Als Beispiel nennt Martin Rufer folgende Regel: Ein toter Baum müsse 20 Zentimeter Durchmesser auf Brusthöhe haben, damit er zur Biodiversität zähle. Nun besteht der Auftrag aus Parlament und Bundesrat, für die nächste Agrarpolitik ab 2030 folgende Zielsetzungen einfliessen zu lassen: den Selbstversorgungsgrad halten, wirtschaftliche Perspektiven für die Landwirte schaffen sowie eine Vereinfachung des Systems. Ausserdem sollen auch die Konsumentinnen und Konsumenten integriert werden. Die Weichen zur neuen Agrarpolitik werden nun gestellt und abschliessend wird das Parlament in der neuen Legislaturperiode darüber bestimmen.

Die Nationalrats- beziehungsweise Ständeratskandidaten stellten sich am Sommeranlass vor.
Die Nationalrats- beziehungsweise Ständeratskandidaten stellten sich am Sommeranlass vor.

Gegenvorschlag ablehnen

Das zweite Thema ist die Biodiversitätsinitiative. Diese wurde von den Umweltverbänden eingereicht, der Bundesrat hat einen Gegenvorschlag ausgearbeitet. Dieser besagt vereinfacht, dass künftig 30 Prozent der Landesfläche für die Biodiversität ausgeschieden werden. «Dies wäre eine absolute Katastrophe, eine weitere Extensivierung, weniger Produktion, zusätzliche Auflagen und am Ende des Tages mehr Import», betont Rufer. In der kommenden Session werden der National- und der Ständerat noch einmal darüber brüten. «Der Gegenvorschlag ist abzulehnen und dann werden wir nächstes Jahr über die Biodiversitätsinitiative abstimmen. Diese Abstimmung können wir aber gewinnen, weil auch die Energie-, die Tourismus- sowie die Baubranche betroffen sein werden.»

Das dritte Thema sind die Bundesfinanzen. «Der Bundesrat musste ein Sparpaket schnüren, da das Geld mit beiden Händen zum Fenster hinausgeworfen wurde», ist Martin Rufer überzeugt. Dieses sieht auch zwei Prozent Kürzungen im Agrarbereich vor. Das heisst, 55 Millionen weniger Direktzahlungen und 110 Millionen Absatzförderungsmassnahmen. «In der Landwirtschaft sind die Bundesausgaben jedoch mit rund 3,6 Milliarden Franken in den letzten 20 Jahren stabil, während sie in den anderen Bereichen stark gestiegen sind», gibt der Direktor des SBV zu bedenken.

Über alle Kanäle mobilisieren

Matschentscheidend seien also künftig Mehrheiten in Bundesbern, um die Anliegen der Landwirtschaft durchzubringen. «Am 22. Oktober sind die Nationalrats- und Ständeratswahlen, mit denen wir die Agrarpolitik der nächsten Generation mitbestimmen werden.» Den Linksrutsch von 2019 bezeichnet Martin Rufer als sehr schlimm. Grund dafür nennt er das Mobilisierungsproblem, da die ländlichen Regionen viel weniger Stimmbeteiligung hatten als die Städte. «Es gingen also diejenigen wählen, die der Landwirtschaft nicht nahestehen.» Bei der Trinkwasser- und der Pestizidinitiative sei es genau umgekehrt gewesen, und genau die höhere Mobilisierung auf dem Land habe dazu beigetragen, dass man diese Initiativen so deutlich gewonnen habe. «Genau dies müssen wir nun auch für die Nationalrats- und Ständeratswahlen schaffen.» Martin Rufer rief deshalb Bäuerinnen und Landfrauen, Junglandwirte und Landwirte dazu auf, über alle ihnen möglichen Kanäle zu mobilisieren.

Weitere bekannte Persönlichkeiten richteten kurz das Wort an die versammelten Landwirtinnen und Landwirte, so waren Ständerätin Esther Friedli und Markus Ritter, Präsident des Schweizer Bauernverbands, vertreten. Auch den weiteren anwesenden Nationalratskandidatinnen und -kandidaten Vivienne Oggier, Peter Nüesch, Barbara Dürr, Ursi Egli, Sepp Sennhauser und Andreas Widmer konnte das Publikum beim abschliessenden Imbiss auf den Zahn fühlen.

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