«Zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten»

Im Weiler Olmishausen bei Steinebrunn im Kanton Thurgau wurde das gesamte Inventar der einstigen Käserei mit Schweinemastbetrieb versteigert. Da sich keine Nachfolgelösung abzeichnete, hat sich Käsermeister Simon Wolf für diesen Weg entschieden. Die Liegenschaft soll in naher Zukunft abgebrochen werden.

Auch Kuhglocken werden versteigert: Gantrufer Bruno Furrer und Versteigerer Paul Blöchlinger (rechts im Bild mit Block).
Auch Kuhglocken werden versteigert: Gantrufer Bruno Furrer und Versteigerer Paul Blöchlinger (rechts im Bild mit Block).

Was einst viel gekostet hat und an vergangene Zeiten erinnert, wird alles vergantet. Trotz nasskaltem Aprilwetter haben sich schon vor Veranstaltungsbeginn zahlreiche Kaufinteressierte eingefunden. Das Angebot reicht vom Fendt-Traktor über teils neuwertige Schweinestalleinrichtungen bis hin zu verschiedenen Käsereiutensilien und Antiquitäten. Kurzum: An diesem Vormittag wird das gesamte Inventar der ehemaligen Käserei, zu der auch ein Schweinemastbetrieb gehörte, im Weiler Olmishausen bei Steinebrunn versteigert.

Ablauf der Versteigerung

«Wir haben es heute mit einer speziellen Versteigerung zu tun. Womöglich finden wir nicht für alles einen Käufer. Doch wir sind zuversichtlich», sagt Gantrufer Bruno Forrer aus dem luzernischen Mosen bei der Begrüssung. Nachdem er den Steigerungsablauf erklärt hat, verliest er die Gantbedingungen – unter anderem, dass die Übergabe der ersteigerten Sachen erst nach Bezahlung des Zuschlagspreises erfolge. Bei grösseren Beträgen müsse eine Anzahlung von 20 Prozent geleistet werden. Als Versteigerer fungiert Paul Blöchlinger, der das gesamte Inventar von Simon Wolf vor einigen Monaten übernommen hat. Die Käserei wurde 2003 stillgelegt, der Schweinemastbetrieb im vergangenen Herbst. Der 74-jährige Simon Wolf hat altersbedingt den Betrieb verkauft, da er keine Nachfolgelösung hatte. Die in die Jahre gekommene Liegenschaft soll demnächst abgebrochen werden. Geplant sei eine verdichtete Überbauung, die Vorplanung sei am Laufen.

Eine «Chrenze» hat einen Abnehmer gefunden.
Eine «Chrenze» hat einen Abnehmer gefunden.

Stabellen für die Stube

«Zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten», ruft Bruno Forrer, der sich voll auf die Sache konzentriert, aber immer wieder eine Prise Humor mit einbringt. «An einer Versteigerung darf man nicht zurückschauen. Das machen nur die österreichischen Skifahrer, um zu schauen, ob ein Schweizer kommt.» Man spürt es sogleich: Bruno Forrer ist Gantrufer mit Leib und Seele. Dass die Gant nicht nur Leute aus der Landwirtschaft angezogen hat, zeigt sich schnell. Sichtlich erfreut, trägt ein junges Pärchen fünf Holzstabellen vom Gantplatz weg. Stabellen gab es einst oft in Bauernstuben, sie sind generell rustikaler als normale Wohnstühle und haben vier schräge Beine. «Die Stühle gefallen mir gut. Entweder kommen sie in meine Stube oder ins Schulzimmer», sagt die Schnäppchenjägerin, eine Lehrerin aus Amriswil. «Die Stühle sind wie ein Denkmal, sie erzählen eine Geschichte.» Sie besuche zum ersten Mal eine Gant. Die Atmosphäre gefalle ihr, und der Gantrufer mache seine Aufgabe mit viel Elan.

Mit Wehmut dabei

Simon Wolf, der frühere Besitzer der Liegenschaft, hat sich ebenfalls unter die Anwesenden gemischt. «Es tut schon weh, wenn man das Werk, das man aufgebaut hat, aufgeben muss.» Besonders der Abbruch des Schweinestalls, den er vor 38 Jahren mit einer Misch- und Mühleanlage bauen liess, schmerze ihn. «Ich wohne seit 1961 hier in Olmishausen. In der Käserei bin ich nicht nur aufgewachsen, die Käserei habe ich mit meiner Frau Astrid auch geführt, mit ihr dort gewohnt und wir haben zusammen drei Kinder grossgezogen», erzählt der Käsermeister. Simon Wolf wirkt gefasst, doch ab und zu muss er sich ein paar Tränen aus den Augen wischen. Er nimmt ein Käsemesser sowie eine Käseharfe zur Hand und sagt: «Damit habe ich einige tausend Käselaibe hergestellt.»

Fans der Marke Fendt

Letztlich geht alles vorbei. Doch dies gilt für den Traktor der Marke Fendt 718 Vario noch nicht. Er hat einen neuen Besitzer im thurgauischen Hauptwil gefunden. Markus Ebneter ist zusammen mit seinem Sohn Alex wegen des Fendt-Traktors an die Gant nach Steinebrunn gekommen. «Wir haben bereits sieben Fendt-Traktoren, mit denen wir in unserem Tiefbaugeschäft arbeiten», erklärt Markus Ebneter. Er sei ein Fan von Fendt-Traktoren und nehme auch an Fendt-Treffen teil. «Meine Tätigkeit ist die Kombination von Beruf und Hobby. Ich habe Freude an meinem Beruf, dieser Traktor ist ein weiterer Ansporn.» Er hoffe, dass das soeben erstandene Fahrzeug mit Jahrgang 2009 noch einige Zeit laufe. Eine Garantie gebe es halt keine, das sei der einzige Nachteil an einer Gant, sagt er und ergänzt, dass sein erster Fendt 20 000 Stunden auf dem Buckel hatte, ohne jemals grosse Reparaturen zu haben.

Käsermeister Simon Wolf zeigt Käsemesser und Käseharfe, mit denen er einige tausend Käselaibe hergestellt hat.
Käsermeister Simon Wolf zeigt Käsemesser und Käseharfe, mit denen er einige tausend Käselaibe hergestellt hat.

Zufriedener Gantrufer

Vier Stunden hat die Gant in Olmishausen gedauert. Die Versteigerung sei wie erwartet ausgefallen. Zwischen 500 und 600 Personen hätten den Anlass besucht, sagt Bruno Furrer. Wetterbedingt hätten die Schaulustigen gefehlt. Eine Versteigerung eines Landwirtschaftsbetriebes mit Vieh ziehe eine breitere Käuferschaft an. «Ich bin aber dankbar für jeden Auftrag», äussert sich der Gantrufer dazu. Sämtliche zeitgerechten Gegenstände seien hier in Olmishausen verkauft worden. Da es in den Ställen einige nicht mehr zeitgemässe Dinge gab, konnte davon ein Grossteil dieser Ware jedoch nicht abgesetzt werden. Oftmals würden die Masse nicht passen, deshalb seien feste Einrichtungen auch nicht leicht zu verkaufen.

Berührende Geschichten

Heutzutage gebe es viele Viehauktionen, führt Bruno Furrer aus. Ein häufiger Grund sei die Nachfolgeregelung. Zwangsversteigerungen gebe es glücklicherweise nur wenige. Der 72-jährige Bruno Furrer ist gelernter Zimmermann und seit 1973 Gantrufer. Dieser Beruf wurde ihm im wahrsten Sinne des Wortes in die Wiege gelegt, denn schon sein Vater sei Gantrufer gewesen und habe zudem noch einen Bauernhof geführt – so wie er lange Zeit auch. «Den Hof, den ich einst von meinem Vater übernommen habe, führt inzwischen mein Schwiegersohn.» Früher hätten Versteigerungen meistens im Frühjahr stattgefunden, von Februar bis April. Inzwischen fänden Auktionen das ganze Jahr hindurch statt. Es gibt immer wieder Geschichten, die unter die Haut gehen. «Zum Beispiel bei Todesfällen. Ich möchte nicht mehr alles aufrollen. Diese traurigen Ereignisse sind auch für mich nicht einfach und solche Steigerungstage finde ich belastend», gibt er zu bedenken. Von materiellen Dingen könne man sich lösen, der Umgang an einer Gant mit dem Verlust und dem Tod eines Menschen sei jedoch äusserst schwierig. Man müsse bei der Begrüssung immer den richtigen Ton finden. Als Gantrufer sei er an etwa 30 bis 40 Versteigerungen jährlich. Inzwischen gebe es aber beispielsweise vermehrt Töff- und Wohnungsversteigerungen, aber auch Betriebe, wie Schreinereien und Zimmereien oder Antiquitätengeschäfte, die liquidiert würden. Doch der grösste Teil mache immer noch die Landwirtschaft aus.

Auch Versteigerer Paul Blöchlinger zeigt sich zufrieden. «Die Gant ist gut verlaufen. Wir wussten, dass es eine spezielle Versteigerung sein wird.» Sehr viel sei verkauft worden. Einiges sei aber noch erhältlich, unter anderem 5000-Liter-Chromstahltanks und eine Siloanlage. Bei Interesse kann man sich bei Paul Blöchlinger unter 079 691 50 53 melden.

Markus Ebneter (Bildmitte) und sein Sohn Alex freuen sich über ihren Fendt-Traktor – neben ihnen steht Gantrufer Bruno Furrer.
Markus Ebneter (Bildmitte) und sein Sohn Alex freuen sich über ihren Fendt-Traktor – neben ihnen steht Gantrufer Bruno Furrer.

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