Käseherstellung ist Geschmackssache

Käsemeister Willi Schmid von der Städtlichäsi in Lichtensteig kann die ihm angelieferte Milch aufgrund ihres Geruchs dem richtigen Bauern zuordnen. Der Toggenburger weiss dann auch, welchen Käse er daraus produzieren wird.

Willi Schmid riecht an der Milch, die angeliefert wurde.

Willi Schmid riecht an der Milch, die angeliefert wurde.Es ist kurz vor sieben Uhr an diesem Morgen: Eine Bauersfrau fährt mit dem Auto und dem Milchanhänger vor die Städtlichäsi in Lichtensteig. Mittels eines Schlauches gelangt die angelieferte Milch direkt in die Käserei. Käsemeister Willi Schmid riecht an der Milch, er ist ein Meister seines Faches. Wenn Willi Schmid an der Milch riecht, die ihm angeliefert wird, weiss er haargenau, von welchem Landwirt sie stammt. Der Käsemeister trinkt auch von jeder Milch einen Schluck – es sei wie beim Degustieren von Wein. Er weiss, welchen Käse er aus welcher Milch produzieren wird. «Jede Milch und jeder Hof riecht anders», sagt er ganz selbstverständlich. Willi Schmid nimmt auch sofort den Geruch wahr bei einer allfälligen Veränderung, beispielsweise bei einem Futterwechsel.

Zahlreiche Zeitungen, Zeitschriften und Fernsehsender, nicht nur aus der Schweiz, haben schon über ihn berichtet, sondern aus aller Welt. Er produziert Käse, der weltweit zu den besten gehört – er ist der ungekrönte König unter den Käsern, und noch viel mehr ist im Internet über den Toggenburger Willi Schmid zu erfahren. Mit einem verschmitzten Lächeln meint er ganz bescheiden dazu: «Ich habe dies noch nie von mir selbst gesagt, aber die Leute erzählen es.» Worin liegt denn das Geheimnis dieses Erfolgs? Es sei die Freude am Beruf und die Leidenschaft am Handwerk, sagt der 55-jährige Käsemeister. Willi Schmid führt zusammen mit seiner Frau seit 2006 eine eigene Käserei – die Städtlichäsi in Lichtensteig. Derzeit werden sie von vier Mitarbeitenden unterstützt.

Die Milch wird in der Städtlichäsi angeliefert.
Die Milch wird in der Städtlichäsi angeliefert.

Begonnen hat alles vor 17 Jahren mit dem Kauf einer kleinen alten Käserei in Lichtensteig. Da diese bald zu klein wurde, liess das Ehepaar eine Käserei am Dorfrand bauen. Startschuss für die neue Städtlichäsi war 2015. Darin untergebracht sind sechs Käsekeller. Da Willi Schmid verschiedene Käsesorten produziert, brauche es diese Käsekeller, denn alle hätten unterschiedliche Klimazonen. Hergestellt werden rund 30 Käsesorten – vom Frischkäse, über den Weichkäse bis hin zum Extrahartkäse, erklärt der Toggenburger. Viele von Willi Schmids Käse werden in den besten Restaurants der Welt serviert. Sein Käse wurde schon mehrfach ausgezeichnet.

Aufgewachsen ist Willi Schmid auf dem elterlichen Landwirtschaftsbetrieb in Schwand-Bühl, im Herzen vom Toggenburg. Bereits als kleiner Bub hat er die Wiesen erkundet und sämtliche Kräuter, Blätter und Gräser selbst gekostet und sich dadurch wohl ein Stück seiner Aroma-Erfahrung angeeignet. Willi Schmid weiss, wo im Toggenburg die Wildkräuter und Gräser wachsen, welche die Milch aromatisieren. Im schattigen Tobel gäbe es mehr Kräuter. An sonnigen Standorten hingegen würden mehr Gräser wachsen. Gewisse Gräser beeinflussen die Milch. Ruchgras beispielsweise, das auf Magerwiesen und Weideflächen wächst, verleihe der Milch einen leicht süsslichen Vanille-Karamell-Geschmack. Der starke Geruch nach frisch gemähtem Gras sei charakteristisch für das Ruchgras und werde vom Inhaltsstoff Cumarin ausgelöst. Dies sei derselbe natürliche Aromastoff wie in der Tonkabohne.

Mit Käse ist es wie mit Salat

Neun Landwirte aus Lichtensteig und Umgebung liefern einmal täglich ihre Milch direkt bei der Städtlichäsi ab. Die Bauern treffen jeden Morgen oder Abend gestaffelt ein, denn nach jeder Milchlieferung wird das Kessi sauber gereinigt. Dadurch gibt es keine Durchmischung und die angelieferte Milch bleibt stets getrennt, was für den Käsemeister äusserst wichtig ist. Im Frühjahr rieche die Milch nach krautig-frischen Gräsern. Es sei wie beim Salat im Frühling. «Der erste frische Salat aus dem Garten ist immer etwas Besonders – so ist es auch bei der Milch.» Das Milchfett werde dann wieder weicher und der Beta-Carotin-Gehalt steige, wenn die Kühe Grünfutter fressen. Bereits als Kind habe er gemerkt, welche Milch in seiner Tasse Ovi steckt. «Wenn mein Vater einen Eimer mit Milch in die Küche gebracht hat, wusste ich schon vom Geruch her, welcher Kuh ich sie zuordnen kann.»

Für die Herstellung der Sorten «Bergfichte» und «Hölzig Schaf» benötigt Willi Schmid 40 000 Stück Tannenrinden pro Jahr.
Für die Herstellung der Sorten «Bergfichte» und «Hölzig Schaf» benötigt Willi Schmid 40 000 Stück Tannenrinden pro Jahr.

Etwa 850 000 Kilo Milch werden pro Jahr in der Städtlichäsi verarbeitet. Willi Schmid produziert Käse nur von Braunvieh- und Jersey-Kühen. Diese Milch zeichne sich durch eine besonders gute Eiweissqualität aus, was sich auch im Käse widerspiegle. Rund zwei Drittel der Milch, die in der Städtlichäsi verarbeitet wird, sei von Kühen. Der Rest sei Schaf-, Ziegen- und Büffelmilch. Auch diese kann der «Milchschmecker», wie Willi Schmid auch genannt wird, vom Geschmack her dem richtigen Bauern zuordnen. Auf die Frage, ob er denn ein Künstler sei, winkt Willi Schmid vehement ab. «Nein, nein, das hat einfach mit viel Naturverständnis zu tun. Man muss die Milch verstehen und die Zusammensetzung sowie die technischen Möglichkeiten kennen. Ich habe es im Blut. Wenn ich sage, welcher Käse daraus produziert wird, dann funktioniert es auch. Schlussendlich sind die Kunden mit dem Endprodukt stets zufrieden, was mich immer sehr freut.»

Schmids verkaufen ihren Käse in ihrer Städtlichäsi, beliefern aber auch zwei Grossverteiler sowie Detaillisten in der ganzen Schweiz. Rund 40 Prozent des eigenen Käses gelangt in den Export. «Von Australien bis Brasilien – unser Käse ist überall auf der Welt erhältlich», erzählt der Käsemeister. Besonders stolz mache es ihn, dass er eine grosse Menge an Blauschimmelkäse nach Frankreich exportieren kann. Die Franzosen seien nämlich Blauschimmelkäse-Kenner und darum besonders heikel.

Der beliebteste Käse, den Willi Schmid produziert, sei der Blauschimmelkäse «Jersey Blue» sowie der Halbhartkäse «Mühlistein». Zudem habe der Konsum von Raclettekäse in letzter Zeit deutlich zugenommen. Willi Schmid erzählt, dass er sämtliche Käse gerne hat, aber am liebsten esse er Geiss- oder alten Schafkäse.

Der Käse, der am wenigsten lang bei Willi Schmid gelagert wird ist ein Weichkäse aus Kuhmilch oder der Geisskäse. Beide sind zwei Wochen im Käsekeller. Der extraharte Schafkäse lagert am längsten, bis drei Jahre. Vor Weihnachten sei stets eine grosse Nachfrage an Weichkäse festzustellen. Im Januar werde vorwiegend lagerfähiger Käse produziert, zum Beispiel der «Bergmatter», ein Halbhartkäse, der nur während der Heufütterungszeit in den Wintermonaten hergestellt wird. Dieser werde dann bis im Oktober gelagert.

Willi Schmid zeigt einen Blauschimmelkäse «Jersey Blue».
Willi Schmid zeigt einen Blauschimmelkäse «Jersey Blue».

Das höchstwertigste Fett

Auf eine gute Butter legt der Toggenburger ebenfalls viel Wert. Diese produziert er im Butterfass. Handarbeit sei bei der Butter- und der Käseherstellung eines seiner wichtigsten Merkmale. Die Herstellung von Butter sei ein rein mechanischer Prozess. Margarine hingegen sei ein klassisches Industrieprodukt. Aromatisiert werde diese «Kunstbutter» mit Milchsäure. Butter sei das qualitativ höchstwertigste Fett überhaupt. Das Milchfett enthalte über 400 verschiedene Fettsäuren. Willi Schmid bezeichnet Milch als extrem faszinierend und einzigartig. «Man sollte viel mehr Achtung haben vor den Tieren, die uns ein so gehaltvolles Produkt liefern.»

Man spürt es: Willi Schmid ist Käsemeister mit Leib und Seele. Eigentlich wäre er aber gerne Bauer geworden, denn die Landwirtschaft sei seine grosse Leidenschaft. Doch diese könne er auch als Käsemeister ausleben. Schliesslich sei er mindestens einmal wöchentlich in einem Stall. Er pflege gerne den Kontakt zu den Bauern. Der Toggenburger will keine anonyme Milch, er will wissen, woher sie kommt.

Willi Schmid verrät, dass er sich freuen würde, wenn eines Tages sein Sohn Nicola im Betrieb einsteigen würde. «Nicola ist gelernter Milchtechnologe und besucht derzeit die Betriebsleiterschule. Er zeigt grosses Interesse an unserer Käserei und hat eine riesige Begabung.»

Swiss Cheese Awards, Fotos und Zeitungsartikel im Verkaufsladen der Städtlichäsi bezeugen Willi Schmids grosses Können.
Swiss Cheese Awards, Fotos und Zeitungsartikel im Verkaufsladen der Städtlichäsi bezeugen Willi Schmids grosses Können.

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