Wildhüter Michael Freuler erlebt derzeit oft unschöne Szenen

Nachdem im Januar innert kürzester Zeit enorme Schneemengen fielen, wurde im Glarnerland vermehrtes Wildvorkommen in Wohnsiedlungen und Dörfern beobachtet. Für Wildhüter Michael Freuler kommt als Folge des Wintersportes dann auch die polizeiliche Aufgabe bei der Überwachung geschützter Lebensräume zum Tragen.

Wildhüter
Im Neuschnee sinken Wildtiere bis zum Kopf ein.

Es sind traurige, um nicht zu sagen herzzerreissende Szenen, die sich an einem Morgen nach dem grossen Schneefall im Januar abspielen. Ein junges Reh wird aus dem Zugang zu einem Wohnhaus, in dem es Schutz- und Nahrungssuchend unterwegs war, aufgescheucht und müht sich auf offener Fläche durch den rund eineinhalb Meter tiefen Schnee. Die frische, luftige Schneemasse ist bei jedem Schritt mit den zarten Beinen eine Tortur, das Tier sinkt ein bis zum Kopf, bevor es sich wieder mit einem Absprung wenige Zentimeter vorwärts bewegt. Wartet es zu lange bis zum nächsten Satz, sind nur noch die Ohren zu sehen. Mühsam kämpft es sich so den Hang hinauf, im nahen Wäldchen Schutz suchend.

Ein naher Parkplatz füllt sich langsam, die Stimmen häufen sich, Kindergeschrei einige Meter weiter. Endlich im Gebüsch angekommen nimmt der leichte Schnee das Tier zunächst einige Meter nach unten bevor es sich wieder fangen kann und scheinbar an Ort und Stelle versucht wieder weg zu springen. Einige Zeit sind die Ohren ersichtlich, bald darauf lässt nichts mehr erahnen welches Überlebensdrama sich in den Stauden abgespielt hat. Das Tier hat sich hingelegt… zum ruhen… oder sterben.

Das nächste Lebenszeichen aus dem Wald sind Wintersportler. Links und rechts der Stelle wo das Reh liegt ziehen sie ihre Spuren durch den Schnee.

Wichtige Wildruhezonen

«Bei diesen Schneemengen haben die Tiere keine Chance nach oben zu flüchten und werden sozusagen ins Tal gesprengt, wo sie dann zwischen den Häusern oder in Bachbeeten Schutz suchen», erklärt der alarmierte Michael Freuler. Der Wildhüter ist im Sernftal und dem Eidgenössischen Jagdbanngebiet Kärpf-Süd zuständig. Aktuell seien aus diesem Grund viele Tiere auch nachts im Tal und auf der Strasse anzutreffen.

Der 38jährige Familienvater ist seit zehn Jahren im Auftrag des Kantons Glarus für die Wildhut in Glarus Süd zuständig und kennt das 200 Quadratkilometer grosse Gebiet wie seine Hosentasche. Dabei gehört auch die polizeiliche Aufgabe der Überwachung von Lebensräumen zu seinem breiten Tätigkeitsfeld. Tags zuvor patrouillierte er mit Polizeiunterstützung unterhalb markierter Wildruhezonen. Gerade in den Wintersportgebieten sind diese zwar markiert und auch die Gefahren durch Schneebretter oder Lawinen werden immer wieder hervorgehoben. Dennoch lockt die weisse Pracht zahlreiche Wintersportler in die Hänge oder gar durch die Wälder.

Wildhüter
Wildhüter Michael Freuler.

«Wenn ein verendetes Tier in Pisten- oder Strassennähe liegt, so muss dieses sofort entfernt werden. Die Leute, vor allem Kinder, wollen oder sollen das nicht sehen», erzählt Freuler von der Entfremdung der Menschen zur Natur.

Dass ihr Pulverspass Wildtiere auf qualvolle Art und Weise das Leben kosten kann, sei vielen gar nicht bewusst. Die an die Natur angepassten Tiere reduzieren im Winter ihre Körperfunktionen auf das Nötigste und legen gerade bei enormen Schneemassen nur wenige Meter täglich zurück. Die Auswirkungen auf den Organismus eines so zierlichen Tieres, wenn es aufgescheucht und umhergesprengt wird, sind verheerend. Sie können, je nach Reserven und Ruhemöglichkeiten des Tieres, wenn auch nicht sofort vielleicht noch Tage oder Wochen später zur tragischen Verendung führen.

Auf Kommunikation setzen

Für den diplomierten Wildhüter gehört die Kontrolle dieser Gesetzesbrecher zum schwierigeren Teil seiner Arbeit. «Es gibt leider auch Wintersportler, die ihr persönliches Vergnügen über das Schicksal der Wildtiere stellen», bedenkt er. Dabei hält Michael Freuler aber auch klar fest, dass sich ein grosser Teil der Tourengänger, Skifahrer und Snowboarder rücksichtsvoll an die offiziellen Routen und Regeln hält. Wenn ein Skigebiet in einem eidgenössischen Jagdbanngebiet liegt, gibt es Konflikte mit dem Schutzziel, was grundsätzlich zu Widersprüchen führt.

Schlussendlich passen sich aber Wildtiere über Generationen den Gegebenheiten an und wechseln – aufgrund mehrmaliger widerkehrender Störungen, vor allem im Winter – ihren Standort, was unter dem Strich zu einem Lebensraumverlust führt.

Dass der gelernte Zimmermann schon als Kind immer gerne in der Natur war und mit seinem Onkel bereits früh Erfahrungen in diesem Gebiet sammeln durfte, führte den im Klöntal aufgewachsenen Glarner in die Wildhut. Obwohl er schon Unverständliches erlebt hat, begegnet der kommunikative Mann dem Bedürfnis nach Freiheit im Schnee in seiner Aufklärungsarbeit mit Offenheit.

Kein leichtes Management

«Der Respekt vor dem Lebewesen muss unbedingt bleiben», frordert der Hobbysportler, der in seinem Beruf fast täglich mit der Mortalität von Tieren zu tun hat. Der Kreislauf der Natur und die natürliche Selektion des Bestandes hebt er auch beim Thema Wintersport hervor. Denn auch in menschenleeren Gebieten überleben schwächere Tiere den Winter nicht. Zum umstrittenen Thema Winterfütterung hat er eine klare Meinung: «Ruhe ist das beste Futter.» Von Wild geschätzt werden beispielsweise auch abgelegener Ställe, welche von den Landwirten im Winter als Ruheraum offen gelassen werden.

Die vielen Stunden in der Natur, aber auch die Tatsache, dass bei der Arbeit mit Tieren nicht immer alles nach Plan läuft, fasziniert Michael Freuler an seinem Beruf nach wie vor. Die ruhige Einstellung, welche er auch zu negativen menschlichen Einflüssen hat, durchzieht seinen Arbeitsalltag: «Es gibt immer wieder Überraschungen; zwar können wir beispielsweise eine Bestandesaufnahme und Abschussplanung machen. Ob wir dann die gewünschte Reduktion erreichen, hängt immer von Tieren, Wetter und Jägern ab. Sehr oft geht es dabei nicht wie gedacht, aber alles kann man nicht beeinflussen und das ist auch gut so.» Und so weiss der erfahrene Wildhüter mit Herausforderungen der Natur umzugehen.

Wildhüter
Die Jungtiere sind im auch im vorgestampften Weg kaum ersichtlich.

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