Vor- und Nachteile eines Melkroboters

Wer in seinen Stall ein neues Melksystem einbauen möchte, zieht vielleicht auch einen Melkroboter in Betracht. Die Vor- und Nachteile eines solchen automatischen Melksystems (AMS) müssen abgewogen werden.

Melkroboter
So macht Robotermelken keine Freude: Schlechte Übersicht, zu wenig Platz, gelenkter Kuhverkehr.

Wenn im Jahr 2021 im Milchviehstall der Einbau eines Melksystems diskutiert wird, muss das automatische Melken ernsthaft in die Überlegungen mit einfliessen. Auch bei Beständen von rund 30 laktierenden Kühen kann der Melkroboter, eventuell ein Gebrauchtmodell, über alles gesehen bereits interessanter sein als ein herkömmliches System. Auch ein automatisches Melksystem (AMS) ist nicht perfekt, dennoch braucht es heute starke Argumente um sich für ein anderes Melksystem zu entscheiden. Gleichzeitig ist ein Laufstall mit Melkroboter das anspruchvollste System, weil neben den Tieren auch viel Technik im Blick gehalten werden muss. Gerade dieser Kick den die neue Technik in den Stall bringt, kann wiederum Landwirt und Mitarbeiter zusätzlich beflügeln.

Der Kuh-begeisterte Milchbauer bildet die Grundlage für erfolgreiches Melken am Roboter. Gerne mit Kühen zu arbeiten ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor und eine Grundvoraussetzung für das Funktionieren dieses Systems. Erfahrungsgemäss nimmt der Bezug zu den Kühen beim Robotermelken meist zu, weil Flexibilität und Freiräume und damit Zeit für die Kühe entstehen. Die ruhigsten Kühe trifft man heute vielfach in den Ställen mit einem AMS an, in denen die Landwirte ihren Verhältnissen entsprechend überschaubare Herden- und Betriebsgrössen haben. Je mehr Kühe am Melkroboter laufen, umso grösser die Wahrscheinlichkeit, dass eine Warnung wegen eines Melkunterbruchs eintrifft und umso grösser der Zeitdruck, weil entsprechend schnell gehandelt werden muss.

Ältere Bauern oft dagegen

Ein unbestrittener Vorteil des AMS ist das körperschonende Arbeiten. Schultern, Rücken, Becken, Knie und Füsse werden entlastet und viele ältere und auch jüngere Landwirte finden auch deshalb Gefallen am System. Dies kann auch als Argument gegenüber der älteren Generation dienen, welche sich zu Beginn oft gegen einen Roboter aussprechen. Die ältere Generation macht sich oftmals Sorgen mit der Technik nicht klar zu kommen. Sie befürchten weiter, dass sie nicht mehr gebraucht werden, weil der Roboter ihnen die Arbeit wegnimmt. Dem ist aber nicht so.

Robotermelken funktioniert gut, wenn einige bauliche Voraussetzungen erfüllt sind. Der Roboter muss sowohl für die Kühe als auch für den Landwirt gut erreichbar sein. Der Landwirt sollte ohne schmutzige Stiefel zum Roboter gelangen. Für die Kühe ist es wichtig, dass sie vor dem Roboter genügend Platz haben. Dadurch wird Rangeleien und Rangkämpfen vorgebeugt und die Tiere können den Roboter ohne Engpass wieder verlassen. In der Praxis hat sich dabei ein «Nach-Wartebereich» (eine Kuhlänge Platz nach dem Roboter) bewährt. Rangniedrige Tiere bekommen dadurch die Zeit die Lage im Stall ungestört zu beobachten und den Roboter ungefährdet zu verlassen. Allgemein profitieren rangniedere, schwache oder lahme Kühe stärker vom automatischen Melken, da sie nicht mehr täglich rund zwei bis drei Stunden zuhinterst im Warteraum anstehen müssen und stattdessen die Zeit zum Fressen, Trinken und Liegen nutzen können. Weitere Voraussetzungen für eine erfolgreiche Arbeit mit dem Roboter sind Kühe auf guten, gesunden Klauen, griffige Böden und eine pansen- und leistungsgerechte Fütterung. Ein Tierhalter mit Leidenschaft für seine Kühe, konsequentem Arbeiten, Fachwissen rund um Tier und Technik und Grosszügigkeit für seine Tiere runden die erfolgreiche Zusammenarbeit ab.

Melkroboter
Viel Platz vor dem Roboter, gute Übersicht und ein «Nachwarteplatz».

Eutergesundheit im Fokus

Die Eutergesundheit ist gegenüber herkömmlichem Melken beim Roboter kaum verändert. Dort wo sich Kühe nach dem Melken unverzüglich hinlegen, kann es allerdings zu Infektionen kommen, weil sich die Zitzenkanäle nicht rechtzeitig vor dem Hinlegen schliessen konnten. Wenn die Zwischendesinfektion nicht korrekt funktioniert kann es ebenfalls aufgrund von Verschleppungen zu Euterproblemen kommen. Es konnten durch den Wechsel auf den Melkroboter aber auch schon Melk- und Euterprobleme gelöst werden, die durch Kriechstrom verursacht wurden. Natürlich gibt es auch hier keine hundert prozentige Garantie.

AMS ist teuerer

Ein Nachteil des AMS sind seine Kosten. Der AMS ist gegenüber einem Melkstand oft teurer in der Anschaffung, im Unterhalt, im Verbrauch von Wasser, Strom und Reinigungsmaterial und bei den Servicekosten. Das darf so sein, denn schliesslich hat das automatische Melksystem auch einiges mehr zu bieten als ein herkömmlicher Melkstand. Ein Melkroboter erkennt die Kuh, reinigt ihre Zitzen, rüstet an, hängt die Zitzenbecher an, nimmt diese wieder Viertel-individuell ab, desinfiziert die Zitzen, gibt der Kuh während dem Melken Kraftfutter und separiert sie bei Bedarf aus der Herde. Je nach Ausstattung versorgt der Melkroboter den Tierhalter zusätzlich mit Daten zur Tiergesundheit und Fruchtbarkeit (z.B. Aktivität, Wiederkaudauer, Lebendgewicht, Veränderungen in der Milchzusammensetzung, Eutergesundheit und mehr). Ausserdem ersetzt der Roboter teilweise Fachpersonal, welches immer schwieriger zu rekrutieren ist. Es wird anspruchsvoller, künftig Mitarbeitende zu finden, die bereit sind, auch am Wochenende, am frühen Morgen, am Abend und vielleicht sogar noch in der Nacht zu arbeiten. Deshalb finden sich heute Grossbetriebe im Ausland wo 20 und mehr Melkroboter im Einsatz stehen.

Weiden wird anspruchsvoller

Eine der grössten Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Einbau eines AMS ist das Weidemanagement. Das Weiden wird mit dem Melkroboter anspruchsvoller und arrondierte Flächen in Stallnähe werden noch bedeutungsvoller. Bis zu 45 Kühe können noch gemeinsam zwei bis drei Stunden geweidet werden. Bei grösseren Herden wird ein Weidegate mit geregeltem Zugang zur Weide unumgänglich. Weiden ist aber nach wie vor möglich und passt durchaus zum Robotermelken. Der Besuch der Viehschau mit der gesamten Herde kann eine weitere neue Herausforderung sein. Bis alle Kühe nach der Rückkehr wieder im üblichen Melkrhythmus sind, kann es dauern und manchmal ist es dann unumgänglich, einige Tiere mit der Eimermelkanlage zu melken um längere Staus vor dem Roboter zu umgehen.

Anspruchsvolles System

Wie bei den meisten Dingen im Leben bringt auch das automatische Melken Vor- und Nachteile. Wichtig ist, dass sich der Landwirt gründlich überlegt auf welches Melksystem er in Zukunft setzen möchte und dass er davon überzeugt ist, mit diesem über viele Jahre arbeiten zu wollen und zu können. Es ist übrigens deutlich einfacher, ein AMS auszubauen und anderswo wieder einzubauen als einen Melkstand. Möchte der Milchbauer mehr Flexibilität in seinem Alltag, mehr Qualität für rangniedere Tiere im Stall und weniger körperbetonte Arbeit verrichten, eignet sich der Einbau eines Roboters sehr gut. Trotzdem darf man nicht vergessen, dass ein Laufstall mit Melkroboter ein sehr anspruchsvolles System ist, welches permanente Aufmerksamkeit und grosses Fachwissen des Landwirtes benötigt.

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