Schweisshunde – den Wildtieren auf der Spur

Hunde haben besondere Fähigkeiten, die teils mit technischen Hilfsmitteln der Menschen nicht zu ersetzen sind. Hunde haben allen voran einen feinen Geruchs- und Spürsinn. Durch gutes Training werden sie, je nach Talent, für bestimmte Aufgaben spezialisiert, zum Beispiel für die Nachsuche.

Schweisshunde
Werner Weber mit seinem Schweisshund Cara nach erfolgter Nachsuche.

Der Schweisshund ist ein zuverlässiger Hund für die Suche von verletzten Wildtieren. Seine Arbeit verrichtet er als Spezialist im Team mit seinem Führer, nachdem er eine strenge Ausbildung genossen hat und sich regelmässigen Trainings und Prüfungen unterzieht. Das eingespielte Team übernimmt die Nachsuche bei verletzten Wildtieren. Hundeführer mit Hund gehen nach einem Unfall infolge einer Meldung der Polizei oder Jägerschaft auf Spurensuche, um betroffene Wildtiere vor langem Leiden zu bewahren.

Werner Weber aus Azmoos – er ist Obmann Jagdrevier Gonzen, Werdenberger Jägervereinigung – bildet zusammen mit seinem Bayerischem Gebirgsschweisshund Cara ein Nachsuchegespann. Er ist passionierter Schweisshundeführer mit über 15jähriger Erfahrung. «Das Team Werner Weber und Cara ist im Werdenberg bekannt für erfolgreiche Nachsuchen», versichert Markus P. Stähli von der Redaktion Jagd&Natur in Grabs.

48 Nachsuchgespanne

Die Werdenberger Jägervereinigung besteht aus 14 Jagdrevieren respektive Jagdgesellschaften mit insgesamt über 100 Pächtern. Dem kantonalen Jagdverband «RevierJagd» sind fünf Regionalsektionen angeschlossen, auf deren Internetseiten sich aktuell 48 geprüfte Nachsuchegespanne zur Verfügung stellen.

Die Jagdzeit 2020 wurde im Kanton St.Gallen im Dezember beendet. Das heisst aber nicht, dass die Arbeit der Schweisshunde ruht. Während der Winterzeit kommt es bei Schnee und Eis vermehrt zu Verkehrsunfällen mit Wildtieren – insbesondere abends und in den frühen Morgenstunden. Aber auch das ganze Jahr hindurch kommt es immer wieder zu Kollisionen mit dem Wild. Im Frühjahr, wenn die Tiere auf Partnersuche sind oder der Nachwuchs anfängt die Umgebung zu erkunden, lauert auf der Strasse Gefahr. Verkehrsunfälle mit Wildtieren passieren häufig im Herbst bei Dämmerung und Nebel. Verkehrsteilnehmer lassen oft ausser Acht (trotz entsprechender Signalisationen), dass es auch für sie eine Gefahr bedeuten kann, wenn das Wild bei schlechter Sicht Hauptstrassen, Verbindungsstrassen oder Autobahnen überquert.

Schweisshunde
Marco Eicher mit seinem Schweisshund Dolly nach erfolgreicher Totsuche.
Bilder: Markus P. Stähli

Marco Eicher, Hundeobmann RevierJagd St.Gallen, stellt aus eigener Erfahrung fest, dass Schweisshunde-Teams zusehends häufiger ausrücken müssen, um Wildtiere im Bereich von Strassen von ihrem Leiden zu retten. Die Ereignisse durch Kollisionen von Fahrzeugen würden sich deutlich unterscheiden gegenüber jagdlichen Ursachen (Schussverletzungen). Mit steigender Tendenz überwiegen die Einsätze für Nachsuchungen bei Verkehrsunfällen mit Wildtieren grossmehrheitlich.

Ohne Vertrauen geht gar nichts

Im Gespräch mit Werner Weber ist spürbar, dass er mit Leib und Seele, mithilfe seiner Cara, verletzte Wildtiere findet und von ihrem Leiden erlösen kann. «Auf Cara kann ich mich verlassen. Vertrauen zum Hund ist für mich das A und O.» Ein Hundeführer muss klar bei der Sache bleiben, um jede Bewegung des Hundes richtig lesen beziehungsweise interpretieren zu können. «Meine Cara ist ein absolut zuverlässiger Hund», sagt Weber und freut sich, «so gelingt es eben, im Interesse eines verletzten Tieres die Nachsuche erfolgreich abschliessen zu können.» Bei besonders erschwerten oder langen Nachsuchen kann es jedoch auch vorkommen, dass sich der Hundeführer der Grenzen seines Gespanns bewusst sein muss und gegebenenfalls Unterstützung durch ein weiteres Team anfordert.

Für den leidenschaftlichen Schweisshundeführer ist die Zusammenarbeit mit seinem Hund eine echte Herausforderung, die oft unter schwierigen Verhältnissen, auch bei Stresssituationen, funktionieren muss. Das bestätigt Hundeobmann Marco Eicher. Kondition bei jedem Wetter und in jeder und Topographie sowie Einsatzbereitschaft am Einsatzort rund um die Uhr gehören dazu. Oft ist Geduld gefragt, vor allem bei Anwesenheit und Unruhe durch Unfallbeteiligte oder Passanten bei Verkehrsunfällen.

Gutes Gespür führt zu Erfolg

Wenn ein Jäger Hilfe anfordert, weil er ein verletztes Wildtier nicht findet, dann wendet Weber eine besondere Vorgehensweise an. «In solchen Situationen werde ich eine angemessene Zeit warten, bis ich mit Cara die Arbeit aufnehme. Es kann durchaus sein, dass das Wild noch lebt, aber verletzt ist. Wir Jäger sagen dazu, das Tier ist krank. In diesem Fall ist es besser zuzuwarten, um zu vermeiden, dass das Tier vom sogenannten «Wundbett» aufsteht, und sich dadurch die Nachsuche unnötig verlängert oder im schlimmsten Fall nicht mit Erfolg zu Ende geführt werden kann.» Das darf, wenn immer möglich, nicht passieren. Anhand der vor Ort vorgefundenen sogenannten «Pirschzeichen» (Haare, Blut, Knochensplitter, Hufabdrücke etc.) gewinnt der Schweisshundeführer einen Überblick über die mögliche Verletzung und schliesst daraus die zu erwartende Nachsuche, wie etwa kurze «Totsuche» oder längere Fluchtstrecke. Der geeignete Zeitpunkt für die Arbeitsaufnahme ergibt sich also aus der beschriebenen und vor Ort angetroffenen Situation.

Werner Weber erklärt: «Nach dem Winter wird im Frühjahr mit den Hunden wieder intensiv trainiert und im Sommer geprüft, um sie fit zu halten.» Selbstverständlich gibt es auch für den Hund ruhigere Zeiten. Man könnte es Freizeit nennen. «Ich nutze diese Zeit für Spaziergänge mit Cara. Ich nehme sie überallhin mit, wo es möglich ist.» Auf diese Weise geniesst Cara das Leben nicht nur als Schweisshundespezialistin. Das «normale» Leben eines Familienhundes geniesst sie ebenso wie die Herausforderung, ein verletztes Tier zu orten.

Cara kennt das Ritual in der Familie genauso wie jenes am Arbeitsplatz: Wenn es an die Arbeit geht, weiss Cara genau, dass es entweder zum Training oder zur Nachsuche geht, weil Weber seinen Rucksack mit der notwendigen Ausrüstung für die Arbeit mitnimmt.

SChweisshunde
Die Nachsuchearbeit ist Teamarbeit. Sie verlangt von Hund und Hundeführer alles ab.

Werner Webers Fazit: «Wenn ich mit meinem Hund eine erfolgreiche Nachsuche abschliessen kann, ist meine Freude gross. Das bedeutet mir mehr, als wenn ich ein Tier für mich geschossen habe. Ich und meine Cara sind ein gut eingespieltes Team».

Neuste Zahlen des Anjf

Arno Puorger, Fachmitarbeiter beim Amt für Natur, Jagd und Fischerei (Anjf), nennt auf Anfrage die neusten Zahlen in Bezug auf die Abgänge beim Wild im Jahr 2020. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr im Kanton St.Gallen 10800 Abgänge gemeldet; davon wurden rund 8600 Tiere durch Jäger geschossen, etwa 820 verstarben bei Verkehrsunfällen. 195 Tiere konnten mittels Nachsuche erlöst werden. Die Ursachen für andere Abgänge sind sehr vielfältig und betreffen (inkl. Verkehrsfallwild) zirka 2200 Abgänge, wobei es eine unbekannte Dunkelziffer gibt, da diese Tiere teilweise nicht gefunden oder gemeldet werden.

Bei Verkehrsunfällen mit Wildtieren ist der Fahrer verpflichtet, die Unfallstelle zu sichern (Pannendreieck) und sofort die Polizei (Tel. 117) zu informieren; diese bietet dann entweder die betroffene Jagdgesellschaft oder den zuständigen Wildhüter auf. Bei Hinweisen auf fehlbares Verhalten (z.B. Unterlassen der Meldepflicht bei Verkehrsunfall) wird Anzeige wegen Verstoss gegen das Strassenverkehrsgesetz und/oder Tierschutzgesetz erstattet, das Strafmass ist abhängig von Unfallhergang und wird im Einzelfall festgelegt. bey

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