Lean Farming: Die Überproduktion vermindern

Ist es möglich, mit derselben Arbeit ein besseres Ergebnis zu erreichen? Ein Betrieb hält beispielsweise 30 Milchkühe mit einer durchschnittlichen Laktationsdauer von ungefähr drei Jahren. Jährlich nimmt der Betrieb 20 Kuhkälber für die eigene Nachzucht nach. Ist das sinnvoll? Dieser Beitrag beantwortet die Frage.

Jeder Betriebsleiter sollte sich fragen, wie viele Tiere er pro Jahr für die eigene Nachzucht nachnehmen soll.
Jeder Betriebsleiter sollte sich fragen, wie viele Tiere er pro Jahr für die eigene Nachzucht nachnehmen soll.

Bereits in der Schule lernt man, dass Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen. Fällt dieses Zusammenspiel aus dem Gleichgewicht, gibt es eine Knappheit beziehungsweise eine Überproduktion. Letzteres bedeutet, dass das Angebot eines Produktes die Nachfrage übersteigt. Dies führt dazu, dass der Preis sinkt. Das klingt theoretisch, kann aber bestens auf die Lebensmittelproduktion übertragen werden. Ist das Erntejahr flächendeckend gut, ist dieses Produkt in genügender Menge auf dem Markt vorhanden. Folglich wird der Preis gedrückt. Ist das Erntejahr durch Regen, Frost, Trockenheit, Hagel oder Ähnliches schlecht, fällt die Ernte tief aus und die Preise schnellen in die Höhe, da das Produkt knapp ist. Diese Tatsache mag logisch klingen, ist aber für die Landwirtschaft nicht ganz so einfach umsetzbar.

Lean Farming anwenden

Das Wetter und die Geschehnisse in der Welt kann man nicht beeinflussen. Dabei kommt nun der Gedanke von Lean Farming ins Spiel – wobei es um die Minimierung von Verschwendungen geht. Der zweite Typ der Verschwendung handelt von der Verminderung der Überproduktion.

Richtige Aufzuchtrate

Wird der Blick von der Erntefläche in den Stall geschwenkt, kann dies viel eher umgesetzt werden, da im Stall die Umwelteinflüsse durch Wetter weniger stark sind. Macht es Sinn, 20 Kuhkälber bei 30 Milchkühen für die eigene Nachzucht aufzuziehen? Bei 30 Kühen mit durchschnittlich drei Laktationen hat der Betrieb circa zehn Abgänge pro Jahr zu verzeichnen. Somit müssten theoretisch zehn Kälber jährlich für die eigene Aufzucht nachgenommen werden, sofern selber remontiert wird. Im hier genannten Beispiel sind es aber 20 Kuhkälber. Was ist mit den übrigen zehn?

Jeder Betriebsleiter sollte sich fragen, wie viele Tiere er pro Jahr für die eigene Nachzucht nachnimmt und wie viele er theoretisch für den eigenen Gebrauch nachnehmen müsste. Decken sich die beiden Zahlen, so setzt er den zweiten Gedanken von Lean Farming bereits um. Decken sich diese zwei Zahlen aber nicht, nimmt der Betriebsleiter entweder zu wenig eigene Tiere nach, was mit einem Rinder- oder Kuhzukauf kompensiert werden kann, oder er remontiert im Verhältnis zu viele Tiere, die er gar nicht benötigt.

Betreibt der Betriebsleiter eine Zucht, die auf dem Markt stark gefragt ist, kann dies durchaus Sinn machen, wenn er mit seinem Namen ein zweites Standbein durch den Verkauf von Rindern oder Kühen aufgebaut hat. Hält er jedoch eine durchschnittlichere Herde und remontiert zu viele Kälber für die eigene Nachzucht, so wird dies als Überproduktion bewertet.

Einfluss aufs Portemonnaie

Wirtschaftlich gesehen, ist eine zu hohe Aufzuchtrate wenig attraktiv. Als Betriebsleiter sollte man sich Gedanken dazu machen, nur die tatsächlich nötige Anzahl Nachzuchttiere zu züchten und die übrigen Kühe mit einer Mastrasse zu besamen. Dieser Ansatz ermöglicht es, jene Tiere, die das Zuchtziel des Betriebs am besten verkörpern, gezielt und nach Möglichkeit mit gesextem Samen starker Milchrassentypen zu besamen.

Gegenüber den Milchrassenkälbern bringen diese Mastkälber weitere Vorteile. Man spart Geld bei der Besamung durch günstigere Samendosen und es gibt durchschnittlich weniger Besamungen pro Kuh wegen erhöhter Fruchtbarkeit. Der Betriebsleiter spart Geld, wenn die Kälber bereits kräftiger zur Welt kommen und weil die Masttypen bessere Tageszunahmen haben. Dies ermöglicht ein schnelleres Wachstum der Kälber und sorgt dafür, dass die Tränker früher verkauft werden können. Dies wiederum mindert das Risiko und der Platz wird für andere Tiere frei. Ebenso löst man für jedes Kalb beim Verkauf das Kapital wieder aus, was der Liquidität zugutekommt. Der jedoch spürbarste Punkt ist, dass Tränker von Mastrassentypen auf dem Markt deutlich mehr gelten als jene von Milchrassentypen.

Kommt dann noch dazu, dass man ohnehin schon eher knapp Stallplätze und Raufutter hat, so setzt man diese Ressource besser für die Kühe beziehungsweise für die notwendigen Aufzuchttiere ein. Um also auf die anfangs gestellt Frage zurückzukommen: Ja, es ist möglich, mit derselben Arbeit ein besseres Ergebnis zu erreichen.

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Was ist Lean Farming?

Lean Farming setzt auf die Minimierung von Verschwendung, um Kosten und Fehlerquellen zu reduzieren und wertschöpfende Tätigkeiten zu erhöhen. In einer achtteiligen Serie werden die acht Typen der Verschwendung vorgestellt. Im März 2024 finden zwei Kurse mit spannenden Lösungsansätzen für mehr Arbeitseffizienz auf dem Landwirtschaftsbetrieb mit der Gründerin von Lean Farming, Susanne Pejstrup aus Dänemark, statt. Der Kurs wird wahlweise am Donnerstag, 14. März, oder Freitag, 15. März 2024, am Landwirtschaftlichen Zentrum St. Gallen in Flawil durchgeführt. Anmeldungen können per Mail an lzsg.flawil @sg.ch oder unter der Nummer 058 228 24 70 erfolgen. pd.

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