Revierförster Jürg Steffen übt seinen Beruf mit Herzblut aus

Jürg Steffen ist Revierförster beim Forstrevier Aach Thur Sitter und Betriebsleiter des Forstbetriebs der Bürgergemeinde Bischofszell. Er erzählt, wie sich sein Beruf und der Wald verändert haben.

Jürg Steffen ist Revierförster beim Forstrevier Aach Thur Sitter und Betriebsleiter des Forstbetriebs Bischofszell.
Jürg Steffen ist Revierförster beim Forstrevier Aach Thur Sitter und Betriebsleiter des Forstbetriebs Bischofszell.

«Auch nach 50 Jahren im Beruf habe ich meine Freude daran nie verloren. Es ist immer wieder schön, Jungpflanzen zu stattlichen Bäumen heranwachsen zu sehen, und dies, ohne bedeutend Einfluss zu nehmen», sagt Jürg Steffen. Der 64-Jährige ist Revierförster beim Forstrevier Aach Thur Sitter (Zusammenschluss der Forstreviere Bischofszell und Zihlschlacht im Jahr 2016) und Betriebsleiter des Forstbetriebs der Bürgergemeinde Bischofszell. Er betreut die öffentlichen und privaten Wälder der Thurgauer Gemeinden Bischofszell und Hauptwil-Gottshaus mit rund 590 Hektaren Waldfläche. «Unsere Aufgabe ist es, die Waldbesitzer in den Belangen der Bewirtschaftung zu beraten und zu unterstützen. Wir schützen, pflegen und nutzen den Wald und produzieren Holz», führt Jürg Steffen aus.

Seine Ausbildung zum Forstwart hat Jürg Steffen beim einstigen Forstbetrieb in Zihlschlacht gemacht. Später hat er ein Vollzeitstudium zum Förster an der Interkantonalen Försterschule in Maienfeld absolviert. Worin liegt der Unterschied zwischen Forstwart und Förster? «Die Ausbildung zum Forstwart dauert drei Jahre. An einer Höheren Fachschule (in Maienfeld/GR oder Lyss/BE) bilden sich Forstwarte zum Förster aus. Nach dem Studium kann dieser ein Forstrevier oder einen öffentlichen oder privaten Forstbetrieb leiten.»

Einsatz moderner Forsttechnik

Nicht nur die Waldarbeiten hätten sich durch die Mechanisierung in den vergangenen Jahren stark verändert. Auch personelle Veränderungen und Anpassungen der Revierstrukturen seien entstanden. «Nach meiner Ausbildung 1984 gab es im Kanton Thurgau über 50 Förster, mittlerweile sind es noch 28», erzählt Jürg Steffen und ergänzt, dass weiterhin eine rückläufige Tendenz zu beobachten sei. Immer mehr Forstreviere würden zusammengelegt, ausgelöst durch wirtschaftlich schwierigere Rahmenbedingungen für Wald- und Holzwirtschaft. Früher sei der grösste Teil der Waldarbeiten von Hand ausgeführt worden. Der Einsatz moderner Forsttechnik bringe nicht nur Vorteile. Im Normalfall würden Maschinen die Waldbewirtschaftung unterstützen und effiziente Arbeitsabläufe ermöglichen. Doch in Spezialfällen sei noch immer Handarbeit gefragt, beispielsweise beim Fällen von Bäumen in steilem oder unwegsamem Gelände. Theoretisches Wissen und praktische Umsetzung würden nicht immer übereinstimmen. In der Ausbildung werde heute viel Theorie vermittelt. Praktisches Lernen und Handeln kämen oftmals zu kurz – ganz besonders die Handarbeit. Denn diese sollte die Grundkompetenz der Forstwartausbildung sein, meint Jürg Steffen. «Die Jungen bringen heute nach der Ausbildung weniger Erfahrung mit, als wir sie noch hatten. Wir haben früher immer wieder die Holzernte geübt, um Fachkenntnisse und Fertigkeiten zu erwerben.» Präventive Massnahmen zur Vermeidung von Forstunfällen sei enorm wichtig, denn im Vergleich zu anderen Branchen gäbe es immer noch viele schwere und tödliche Unfälle – besonders beim Fällen von Bäumen. «Grundlegend gilt: Sich aus der Gefahrenzone begeben, warten, bis der Baum am Boden liegt und erst dann wieder weiterarbeiten.» Jürg Steffen empfiehlt den Forstwarten, sich stets weiterzubilden und spezifische Kurse zu besuchen. Generell habe dieser Beruf auch nicht mehr denselben Stellenwert wie dazumal. «Wer arbeitet schon gerne im Regen oder in der Hitze?», gibt Jürg Steffen zu bedenken. «Junge Leute können wir gewinnen und motivieren, indem wir sie unterstützen und sie den korrekten Umgang mit Fahrzeugen und Maschinen lernen dürfen.»

Mit dem Kranfahrzeug werden die Holzstämme vorsortiert.
Mit dem Kranfahrzeug werden die Holzstämme vorsortiert.

Wichtig sei es, beim Ausführen von gefährlichen Waldarbeiten, zum Beispiel bei der Holzernte, immer zu zweit zu sein. Auch seien eine Schutzausrüstung und sichere Arbeitsmittel wichtig. Der Gefahrenbereich müsse bereits im Voraus abgeschätzt und Lernende immer betreut werden. Ein Gehörschutz mit integriertem Sprechfunk erleichtere die Kommunikation bei der Waldarbeit. Die Kommunikation sei das A und O zwischen den Waldarbeitern, betont der Revierförster. Jeder Unfall werde genau analysiert, denn verschiedene Komponenten hätten zum Unglück geführt. Die Unfälle würden durch die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) sowie durch externe Fachleute vom Forst untersucht. Um die Arbeitssicherheit zu optimieren, werden auch regelmässige Kontrollen durch die Suva durchgeführt.

Stresssituationen bei Waldarbeiten gäbe es eigentlich kaum. «Ich bin als Vorgesetzter nie die treibende Kraft, die Forstarbeiter arbeiten nicht unter Druck.» Er spüre aber, dass sich vor allem junge Leute durch das Piepsen ihres Smartphones bei der Arbeit ablenken und stressen lassen. Auch sei das Tragen von Kopfhörern mit Musik unter dem Schutzhelm bei Waldarbeiten nicht verboten. Das stösst bei Jürg Steffen auf Unverständnis. Denn durch die Musik werde das Gehör beeinträchtigt und die Umgebungsgeräusche von Fahrzeugen und Maschinen zu wenig oder gar nicht wahrgenommen.

Suva-Sicherheitsspezialist Mario Schernthanner unterhält sich mit den Forstmitarbeitenden Michael Häfeli und Robin Roth.
Suva-Sicherheitsspezialist Mario Schernthanner unterhält sich mit den Forstmitarbeitenden Michael Häfeli und Robin Roth.

Was Förster nicht gerne sehen

1996 ist ein neues Waldgesetz in Kraft getreten. Die meisten Wälder seien zuvor verjüngt und wieder aufgeforstet worden. Heute werde auf Biodiversität gesetzt, die Natur regle sich selbst. «Doch dies ist meines Erachtens nicht immer so», sagt Jürg Steffen. Langfristig werde der Wald durch übermässig hohe Stickstoffeinträge geschwächt. «Stickstoff gelangt vor allem über die Luft und dann durch Regenfälle in den Boden. Dadurch wird das Wachstum der Konkurrenzvegetation gefördert.» Wilde Brombeeren würden seit längerer Zeit besonders auf Freiflächen zunehmen und im Wald die jungen Bäume verdrängen. Haselnuss- und Holderstauden sowie Weiden und Birken fänden vermehrt den Weg durch die Brombeerteppiche. «Infolgedessen entsteht immer mehr ein Wald, den wir Förster nicht gerne sehen.» Auch der Klimawandel und Wetterextreme hätten Auswirkungen auf die Gesundheit des Waldes und stelle Waldbesitzer und Waldfachleute vor grosse Herausforderungen. Nebst dem Ulmen- und Eschensterben würden zukünftig auch Fichten, Weisstannen und Buchen immer mehr kränkeln, ist Jürg Steffen überzeugt. Ein Nutzwald mit einer regelmässig bewirtschafteten Waldfläche, aus der Holz zur Nutzung entnommen wird, sei wichtig. Wenn der Wirtschaftswald verdrängt wird, werde es immer weniger Bauholz und Möbel aus einheimischem Holz geben. Die Rohholzpreise seien im Vergleich zu früher stark gesunken, die Löhne aber gestiegen. Heute müsse rund doppelt so viel Holz wie einst aus dem Wald herausgeholt werden, um die Lohnkosten abzudecken. «Der Wald wird je länger je mehr subventionsabhängig. Ich finde, Gelder sollten leistungsbezogen ausgerichtet werden, um das Beste herauszuholen. Derjenige, der eine Leistung erbringt, soll dafür auch Geld erhalten», sagt der Revierförster. Jürg Steffen übt seinen Beruf mit viel Herzblut und Leidenschaft aus. Ende Oktober wird er pensioniert. «Ich habe meine Berufswahl nie bereut. So, wie ich heute noch arbeiten darf, würde ich diesen Beruf wieder erlernen. Veränderungen, wie wir sie aber immer häufiger erleben, sind nicht nur zum Guten.»

«Gesamtschweizerisch ereignen sich jährlich rund 1700 Unfälle in Schweizer Forstbetrieben. Forstarbeitende haben im Durchschnitt alle drei Jahre einen Berufsunfall (die Zahlen beziehen sich nur auf versicherte Forstbetriebe)», sagt Suva-Sicherheitsspezialist Mario Schernthanner, Abteilung Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz. Besondere Gefahren bergen stehendes, instabiles Totholz und Bäume mit Totholzanteil, beispielsweise bei der Esche (Eschenwelke). Diese seien im laublosen Zustand schwierig zu beurteilen. Deshalb sei das richtige Verfahren sehr wichtig, um das Unfallrisiko zu verringern, wie zum Beispiel mit dem Einsatz von fernbedienbaren Fällhilfen. «Grundsätzlich dürfen diese Arbeiten in totholzreichen Beständen nur von Personen mit zusätzlichen theoretischen und praktischen Kenntnissen durchgeführt werden», erklärt Suva-Sicherheitsspezialist Mario Schernthanner mit Nachdruck.

 

Forstmitarbeiter Michael Häfeli beim Ausasten mit der Motorsäge.
Forstmitarbeiter Michael Häfeli beim Ausasten mit der Motorsäge.

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