Vom Wolf gerissen, vom Geier genutzt

Vertreter der kantonalen Jagdverwaltungen haben sich darüber ausgetauscht, wie das einheitliche Vorgehen bezüglich Wolfsrissen und Gänsegeiernutzung ab diesem Sommer aussehen soll. Nachfolgend eine Übersicht.

Die «Sommergäste» sind schnell im Auffinden von Kadavern und nutzen diese bis auf die Knochen. Bild: zVg.
Die «Sommergäste» sind schnell im Auffinden von Kadavern und nutzen diese bis auf die Knochen. Bild: zVg.

Mit der steigenden Wolfspräsenz nimmt auch das Risiko von Übergriffen auf Nutztiere zu. Wölfe ernähren sich zwar mehrheitlich von Wildtieren, wobei der Rothirsch zuoberst auf der Beuteliste steht. Deshalb ziehen Wölfe mit dem Rotwild auf den saisonalen Wanderungen zu Beginn des Winters auch in die Wintereinstände im Talgebiet und halten sich im Sommer mehrheitlich im Berggebiet auf. Mit den weiter steigenden Beständen ist aber auch im Sommer vermehrt mit Wölfen in tiefer gelegenen Gebieten zu rechnen.

Wölfe sind, wie Füchse und andere Wildtiere, Nahrungsopportunisten. Das bedeutet, sie wählen jene Beute aus, die sie sich mit dem geringsten Aufwand aneignen können. Deshalb sind ungeschützte Nutztiere einem erhöhten Risiko eines Wolfangriffes ausgesetzt. Der Herdenschutz bietet keine 100-prozentige Sicherheit. Einerseits gibt es Gebiete, die aufgrund des Bewuchses und der Topografie nie vollständig geschützt werden können: Felsen, Gräben und mit Erlenbüschen bewachsene Alpen lassen trotz Herdenschutzhunden und Weidenetzen immer gewisse Lücken. Andererseits lernen die intelligenten Wölfe, den Herdenschutz auszutricksen und zu durchbrechen. Durch ein kluges Zusammenwirken mehrerer Wölfe können selbst Herdenschutzhunde so abgelenkt werden, dass ein Angriff doch gelingt. Wölfe lernen sogar, den Zaun zu überspringen, was für sie untypisch ist.

Das Jagdgesetz ermöglicht sinnvollerweise, solche schadenstiftenden Wölfe nach dem Ausstellen einer kantonalen Abschussverfügung zu erlegen, wenn sie mindestens zehn Nutztiere (Schafe und Ziegen) innert vier Monaten gerissen haben. Bei Rinder- und Pferdeartigen sind nur zwei Risse bis zu einem Abschuss notwendig, respektive ab dem Sommer ein gerissenes und ein schwer verletztes Tier.

Rissnutzung durch Geier

Nicht nur die Wölfe breiten sich in der Schweiz immer mehr aus, sondern auch die Gänsegeier. Dank einem Schutzprogramm in Südeuropa nehmen die Bestände zu. Als Sommergäste sind sie vermehrt auch in der Schweiz in Trupps von bis zu mehreren Dutzend Geiern zu beobachten. Sie finden erstaunlich schnell herumliegende Kadaver und nutzen diese bis auf die Knochen. Deshalb besteht das Risiko, dass Gänsegeier von Wölfen gerissene Nutztiere schnell auffressen und die Todesursache nicht mehr festgestellt werden kann.

Die Vertreter der kantonalen Jagdverwaltungen haben sich deshalb im März zu diesem Thema ausgetauscht, um den Vollzug ab Sommer in allen Kantonen möglichst einheitlich zu gestalten. Dieser Vollzug sieht wie folgt aus:

– Ohne Aufgebot der Wildhut ist keine Entschädigung und keine Anrechnung an das Risskontingent möglich.

– Auch bei einer allfälligen Nutzung durch Geier muss die Todesursache dem Wolf zugewiesen werden können. Ist dies nicht möglich, wird keine Entschädigung entrichtet.

– Ausnahme: Werden bei einem Wolfsangriff mehrere Kadaver gefunden, die gleich frisch sind und bei mindestens einem Riss der Wolf nachgewiesen wird, werden alle Kadaver im gleichen potenziellen Rissperimeter entschädigt und dem Kontingent angerechnet, auch wenn bei gewissen Kadavern aufgrund der Geiernutzung die Todesursache nicht mehr festgestellt werden kann.

Abgestürzte und vermisste Tiere

Wölfe können bei Nutztieren zu panischen Fluchtreaktionen führen, was auch zum Absturz der Nutztiere führen kann. Es gibt aber auch andere Gründe, weshalb Nutztiere in der Sömmerung zu Tode kommen, abstürzen oder nicht mehr aufgefunden werden können. Die Ursache dafür zu eruieren, ist nicht immer einfach oder möglich. Deshalb haben sich die kantonalen Jagdbehörden auch dazu auf ein einheitliches Vorgehen geeinigt (im Kanton Graubünden weicht der Vollzug im Rahmen eines Pilotprojektes davon ab):

– Die Wildhut muss immer bestätigen, dass ein Wolfsangriff stattgefunden hat oder sich ein Wolf im Perimeter befindet.

– Sichtungsmeldungen von anderen Personen sind nicht ausreichend.

– Entschädigt wird grundsätzlich nur gegen Vorweisung eines Kadavers.

– Entschädigungsforderungen für vermisste Nutztiere am Ende der Saison werden nicht berücksichtigt.

– Nach einem bestätigten Wolfsangriff als vermisst gemeldete Tiere, die maximal drei Tage später tot aufgefunden werden, können entschädigt werden.

In jedem Fall sind gerissene, verletzte oder tote Nutztiere mit Verdacht auf Einflussnahme durch Wildtiere immer sofort dem zuständigen Wildhüter zu melden.

Amt für Natur, Jagd und Fischerei

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