Schafe weiden auf den Churfirsten

«Määh» tönt es aus dem Kindertragerucksack, laut und deutlich. Reden kann er noch nicht, der einjährige Tim, aber seine Begeisterung, dass es alpwärts geht bringt er auch so zum Ausdruck, während ihn Papa Markus Lenherr Richtung Schibenstoll trägt. Dort weiden die Schafe der Familie Lenherr.

Schafe auf dem Schibenstoll
80 Schafe verbringen den Sommer am Schibenstoll.

Seit etwas mehr als 20 Jahren sömmern die Lenherrs ihre Schafe auf den Churfirsten. Norbert Lenherr, der Vater von Markus, wartet bereits im Täli auf seinen Sohn und den Enkel. Er war es, der die Schafalp auf dem Schibenstoll von einem Bekannten übernehmen konnte. «Davor verbrachten unsere Schafe den Sommer auf der Alp Schrenit, auf der anderen Seite des Toggenburgs. Dort waren sie Bestandteil einer gemischten Herde von verschiedenen Bestössern. Als dann die Diskussion aufkam, die Moderhinke-sanierten Schafe mit den nicht-sanierten zu mischen, war für uns der Fall klar und wir packten die Chance mit einer eigenen Alp», sagt Norbert Lenherr.

Das Sömmerungsgebiet am Schibenstoll gehört zur Alpkorporation Sellamatt. Lenherrs bringen jeweils rund 80 Schafe ins Alpgebiet. «Von unserem Wohnort am Grabserberg sind wir relativ rasch mit den Tieren in den Bergen.» Die Alpfahrt bewerkstelligen sie mit den eigenen Fahrzeugen. Das letzte Stück bis ins Täli geht’s jeweils zu Fuss. Hier begrenzt ein Maschendrahtzaun das Aufenthaltsgebiet der Schafe. «Früher hatten wir an dieser Stelle ein Netz», erzählt Markus Lenherr, «doch das wurde eines Tages von Wanderern mutwillig beschädigt und meine Schafe entwichen.» Er musste sie am anderen Ende der Churfirsten einsammeln. «Darum haben wir inzwischen auch ein selbstschliessendes Gatter beim Wanderweg angebracht.» Zusammen mit dem stabilen Zaun hält dieses Gatter die Schafe am Schibenstoll.

Wir müssen alles den Berg hochtragen: Zaunmaterial, Viehsalz und was es sonst noch so braucht.

Auf der höchsten Koppel

Neni Norbert und Enkel Tim bleiben im Täli am Fuss des Schibenstolls zurück, während sich Markus Lenherr auf den Weg zu seinen Schafen macht. Um diese Jahreszeit sind sie in der höchsten Koppel anzutreffen – hoch oben beim Gipfelkreuz. Er bewirtschaftet die Alp im System der Umtriebsweide mit verschiedenen Weideabschnitten. Die Familie Lenherr besucht die Schafe mindestens einmal wöchentlich. Zahlreiche Kontrollgänge unternimmt ein Bekannter der Familie, der den Weg hoch auf den Schibenstoll während dem Sommer oft unter die Füsse nimmt. «Wir müssen alles den Berg hochtragen: Zaunmaterial, Viehsalz und was es sonst noch so braucht.» Markus Lenherr zeigt auf einen mächtigen Stein. «Das ist unsere Alphütte», meint er schmunzelnd. «Das wäre ein Traum, ein kleines «Hüttli» als Materialdepot oder Rückzugsmöglichkeit bei schlechtem Wetter. Im Moment lagert alles unter diesem Stein.» Schmal und steil windet sich der Weg auf einem Grasband, der Felswand entlang hoch Richtung Gipfel. «Die Schafe fühlen sich wohl hier oben. Sie kennen die Stellen mit dem saftigen Gras. Sie wissen wo die Schneefelder und wo die Wasserstellen sind, die ihnen über den Sommer Feuchtigkeit spenden.»

Besitzerfamilie der Schafe auf dem Schibenstoll.
Drei Generationen: Norbert, Tim und Markus Lenherr besuchen ihre Schafe am Schibenstoll.

Gut genährte Schafe

Etwas unterhalb des Gipfels zweigt ein Trampelpfad vom offiziellen Wanderweg ab. Nach einer kurzen Strecke geht es direkt in den Felsen, zwei, drei steile Kehren hoch und dann ist die Weide, die sich bis zum höchsten Punkt beim Gipfelkreuz erstreckt, erreicht. Eine erste Gruppe seiner Schafherde, Mütter mit ihren Lämmern, weidet hier. «Sie sind gut genährt», stellt Markus Lenherr befriedigt fest. Er kann jedes Jahr nach der Alpentladung Schlachtlämmer verkaufen, ohne diese auf dem Heimbetrieb noch mästen zu müssen. Es ist eine bunt gemischte Herde mit verschiedenen Rassen. «Die Lieblinge meines Vaters sind die Coburger Fuchsschafe. Ich selber habe vor einigen Jahren eine grössere Gruppe Tiroler Steinschafe importiert. Diese bilden zusammen mit einigen Spiegelschafen, Braunköpfigen Fleischschafen, einem Ostfriesischen Milchschaf und diversen Kreuzungen die Mutterschafherde. Schon mein Vater hielt viele verschiedene Schafe.» Markus Lenherr legt Wert auf robuste, berggängige Mutterschafe mit guter Milchleistung, die ihre Lämmer ohne Zusatzfütterung «feiss» bringen.

Der Schibenstoll verfügt über viele natürliche Grenzen. Mit wenigen Zäunen kann ich die Tiere im Alpgebiet halten.

Beim Gipfel weidet eine weitere Gruppe Schafe. «Der Schibenstoll verfügt über viele natürliche Grenzen. Mit wenigen Zäunen kann ich die Tiere im Alpgebiet halten», erklärt Markus Lenherr. Verluste gibt es äusserst selten. Dieses Jahr mussten sie allerdings zwei Schafe frühzeitig mit nach Hause nehmen: «Wahrscheinlich infolge eines Schlangenbisses», vermutet Markus Lenherr. Er liess die Tiere dann vom Tierarzt behandeln.

Ein Schaf für Tim

«Da drüben, auf der Prodalp, verbringen meine Grauvieh-Mutterkühe zusammen mit ihren Kälbern den Sommer», bemerkt der engagierte Bio Landwirt, während er über den Walensee Richtung Flumserberg deutet. Das Telefon klingelt. Vater Norbert erkundigt sich nach den Schafen. Obwohl er den beschwerlichen Weg ganz hinauf nicht mehr unter die Füsse nehmen kann, spürt man doch, dass die Alp auch für ihn eine Herzensangelegenheit ist. Markus Lenherr ist froh um die innerfamiliäre Unterstützung. «Ohne die ginge es nicht. Zuhause schaut mein Vater noch den Schafen. Zum 125-jährigen Jubiläum des Schafzuchtvereins Grabs, bei welchem wir Mitglied sind, möchte mein Vater seinem Enkel Tim ein weibliches Zuchttier der Rasse Braunköpfiges Fleischschaf schenken.» Auch Tims Mami unterstützt ihren Partner, dies vor allem in administrativen Belangen.

Schaf auf dem Schibenstoll.
Die Schafe kennen die Futterstellen bestens.

Bald geht es heimwärts

Auf dem Weg Richtung Tal lässt Markus Lenherr den Blick nochmals über die Alpweide hoch oben in den Churfirsten schweifen. Bald schon ist es Zeit, die Schafe in die tiefer gelegenen Koppeln zu treiben, bevor dann die Heimkehr nach Grabs ansteht. Etwa Mitte September ist es soweit. Beim Zusammentreiben der Schafe helfen ihm seine Border Collie Hunde und etwas trockenes Brot. Die Hunde sind übrigens eine weitere Leidenschaft, die Sohn Markus von Vater Norbert übernommen hat. «Mit der notwendigen Ruhe und Gelassenheit werden wir auch dieses Jahr wieder alle Schafe sicher vom Berg ins Tal bringen», ist sich Markus Lehnherr sicher. Mit den begeisterten Mäh-Lockrufen von Sohn Tim dürfte nichts schief gehen.

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