RegioHerz: Der erste Stadthofladen lockt viele Städter an

Der erste Hofladen mitten in der Stadt St.Gallen bietet regionalen Kleinproduzenten die Möglichkeit, ihre Produkte ohne grossen Aufwand und ohne viel Geld in die Hand zu nehmen, direkt zu vermarkten. «Das Konzept geht auf. Es ist eine win-win-Situation», sagt Stadthofladen-Inhaberin Grace Schatz.

Grace Schatz, Inhaberin des St.Galler Stadthofladens
Grace Schatz, Inhaberin des St.Galler Stadthofladens

«Sunneschi»- oder Stadtchind-Honig, Bieressig oder -likör, «Schneehäsli»- oder «Wildä-Rappe»-Bier, Geflügel- oder Knoblipantli oder eine Lippenpomade mit Jojobaöl, Honig und Bienenwachs? Die Produkte im ersten Stadthofladen von St.Gallen sind so vielfältig wie ihre regionalen Produzenten. Aber nur wer die Regionalität vorweisen kann, bekommt die Möglichkeit, seine Produkte im Hofladen zu verkaufen. Das betont die Inhaberin und Geschäftsführerin Grace Schatz immer wieder. Sie will Klein- und Kleinstproduzenten helfen, ihre Produkte direkt zu vermarkten. Es ist für sie eine Herzensangelegenheit – deshalb heisst ihr Stadthofladen auch «RegioHerz». «Wir lieben regionale Produkte», lautet denn auch der Slogan.

Appenzeller Kaffee und Suppenhühner

Grace Schatz kennt mittlerweile jeden Produzenten und weiss zu vielen Produkten eine Geschichte. «S‘Wunder-G’würz» sei glutenfrei und ohne blähende Stoffe. Die Produzentin dieses Gewürzes leide an einer chronischen Darmkrankheit. «Die Kapseln des Appenzeller Kaffees, der in Herisau geröstet wird, sind jetzt kompostierbar», erklärt die Inhaberin auf dem Rundgang weiter. Und das Granola-Müesli sei aus Früchten entstanden, für die es zuerst keine Verwendung gegeben habe. Zu den Rennern gehören unter anderen Suppenhühner, die in einer Tiefkühltruhe lagern. «Heute bekommet man fast keine Suppenhühner mehr», sagt Grace Schatz.

Unsere Lieferanten sind alles Kleinproduzenten und haben keine grossen Lager, aus denen sie die Waren nehmen können.

Im Stadthofladen kostet ein Suppenhuhn fünf Franken. Im Kühlschrank wird «Radibutz»-Fondue angeboten, «weil es ‚radibutz‘ aufgegessen ist». Das Bedürfnis der Städter für Nachhaltigkeit und regionale Produkte sei sehr gross. Das hat das Team schon im ersten Monat nach der Eröffnung am 21. November erfahren dürfen. Das Weihnachtsgeschäft habe geboomt. Geschenkkörbe, Geschenksäckli, Teigwaren, Dörrfrüchte, Sugos und Eingemachtes mussten nachbestellt werden. «Das war gar nicht so einfach. Unsere Lieferanten sind alles Kleinproduzenten und haben keine grossen Lager, aus denen sie die Waren nehmen können», erklärt Grace Schatz. Stolz ist sie auch auf das grosse Gestell mit regionalen Bieren, Weinen und Edelbränden aus der Bodenseeregion, dem Fürstenland, dem Rheintal und Appenzellerland.

Stadthofladen war ein Kraftakt

Grace Schatz, die Frau mit dem Herz für regionale Produkte, ist weder Bäuerin noch hatte sie je mit der Landwirtschaft etwas zu tun. Sie lebt im Liechtensteinischen, ist Gymnasiallehrerin für Englisch und Französisch und hat in der Schule bis zu den Sommerferien unbezahlten Urlaub genommen. Das Konzept für den Stadthofladen hat sie während des Lockdowns entwickelt. «Klein- und Kleinstproduzenten sind seit Corona die Verlierer. Sie haben gute Produkte und haben keine Vertriebsstrukturen mehr.» Denn Märkte hätten nicht mehr stattfinden dürfen und sie habe sich überlegt, wie sie den Kleinproduzenten helfen könne. Da sei sie auf die Idee mit dem Stadthofladen gekommen. «Innerhalb von wenigen Monaten ist mein Traum von einem Stadthofladen Wirklichkeit geworden. Ja, es war ein Kraftakt», antwortet Grace Schatz, die bis jetzt eher im Hintergrund gewirkt hat. Sie beschäftigt sich vor allem mit der Werbung auf den verschiedenen Social-Media-Kanälen, sie kümmert sich um Administration und Abrechnungen. An der Front arbeitet Milena Auletta; sie weist jahrelange Erfahrung im Verkauf auf.

Das Erdgeschoss des Stadthofladens.
Das Erdgeschoss des Stadthofladens ist grosszügig gestaltet.

Regionales auf drei Stockwerken

Der St.Galler Stadthofladen an der Bahnhofstrasse 2 erstreckt sich über drei Stockwerke. Vormieter waren ein Coiffeur- und ein Optikgeschäft. Grace Schatz hat das Ladenlokal umgebaut, helle Böden einbauen lassen. Für die Regale hat sie ausschliesslich Holz aus regionalen Wäldern verwendet. «Die Regale müssen nachhaltig sein», sagt sie. Im Erdgeschoss gibt es Teigwaren, Öle, Essig, Eingemachtes Saucen, Honig, Konfitüren, Müseli, Gedörrtes, Produkte aus Wachteleier und Aroniabeeren, in der Zwischenetage werden Fleisch- und Wurstwaren, Milchprodukte, Eier, Gemüse und Obst, Weine und Biere präsentiert, im oberen Stock sind Geschenke, Dekosachen und Naturkosmetik ausgestellt. Grace Schatz zeigt auf einen Shampoostein. «Shampoo einmal nicht in der Plastikflasche. Das funktioniert.» Auf dieser Etage hat es Platz für einen Bistro-Bereich, in dem die Produzenten Degustationen machen könnten. Könnten – Corona hat diesem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Shampoo einmal nicht in der Plastikflasche. Das funktioniert.

Aber in allen anderen Bereichen geht die Rechnung auf. Die Produzenten mieten im Stadthofladen ein Regal für Fr. 12.50 in der Woche. Den Verkauf, die Werbung und das Marketing macht das Hofladenteam und erhält von jedem verkauften Produkt 20 Prozent Provision. Ende Monat wird abgerechnet und die Produzenten erhalten die Abrechnung und das Geld auf das Konto. «Viele waren sehr überrascht und freudig, wieviel Geld sie schon bekommen haben», sagt die Inhaberin freudestrahlend. Insgesamt sind 150 Regale eingerichtet, 90 davon sind bereits besetzt. Für Grace Schatz ist der Stadthofladen eine win-win-Situation: Vertriebsfläche für regionale Kleinproduzenten und Auswahl und Qualität für die Kundschaft. Da erstaunt es nicht, dass sie sich weitere Hofläden in anderen Städten vorstellen könnte.

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