Per Mausklick zur regionalen Milch

Vor zwei Jahren wagte die Familie Andrea und David Roth aus Kengelbach, Dietfurt, den Schritt, ihre Milch direkt der Privatkundschaft zu verkaufen und auszuliefern. Das Konzept funktioniert.

Milch Direktvermarkter
Die Familie Roth beliefert ihre Kunden von Ebnat-Kappel bis Flawil mit regionaler Milch.

Im Milchverarbeitungsraum von Andrea und David Roth in Kengelbach, Dietfurt, herrscht von Montag bis Freitag Hochbetrieb. Die Milch wird pasteurisiert und läuft in die Abfüllanlage, wo die sechs Literflaschen pro Harass gefüllt und von Hand «zugedeckelt» werden. David Roth programmiert die Joghurtmaschine tags zuvor und diese produziert über Nacht das Joghurt. Die Milchflaschen liefert Andrea Roth mit dem betriebseigenen Lieferwagen an 190 private Abnehmer und den drei regionalen Lebensmittelläden. Zurückgenommenes Gebinde wird gereinigt und fürs nächste Abfüllen bereitgestellt. Die Milch hat die Qualität einer Käsereimilch, also ohne Silage, dafür mit viel betriebseigenem Futter und nur soviel Kraftfutter, dass die Kühe gesund und gut bei Kräften bleiben.

Wir möchten die Wertschöpfung der Milch steigern, aber gleichzeitig soll die Milch für eine mehrköpfige Familie erschwinglich bleiben.

Die Wertschöpfung steigern

Bei der Verarbeitung helfen mittlerweile auch drei Teilzeit-Mitarbeiterinnen mit, darunter auch Andrea Roths Mutter Annamarie Bleiker. 1000 Liter Kengelbacher Milch wird so pro Woche verarbeitet. «Den grösseren Teil der Milch können wir der Käserei Güntensperger für die Käseproduktion liefern. Für diese Zusammenarbeit sind wir sehr dankbar», erklärt David Roth. Der Schwerpunkt des Konzepts liegt darin, die Milch Privatabnehmern zu verkaufen – zu einem fairen Preis. «Wir möchten die Wertschöpfung der Milch steigern, aber gleichzeitig soll die Milch für eine mehrköpfige Familie erschwinglich bleiben. Diese Gedanken zogen wir beim Festsetzen des Milchpreises mit ein», gibt Andrea Roth Aufschluss. «Wir suchen nicht ein Riesenwachstum bei der abgesetzten Menge. Zunächst muss alles mit der Aufbau-Arbeit übereinstimmen», macht der Landwirt klar.

Aufbauarbeit bedeutet auch, saisonale Joghurt-Sorten ins Sortiment aufzunehmen. Ganzjährlich sind Natur, Heidelbeer, Erdbeer, Apfel, Apfel-Caramel, Birne und Vanille erhältlich. «Letztes Jahr lancierten wir vor Weihnachten für eine kurze Zeit Apfel-Zimt», erzählt Andrea Roth. Aber auch eine sommerliche Geschmacksrichtung wie Waldbeere wäre eine Möglichkeit. «Aber es soll regional bleiben. Bananen oder Ananas wird es bei uns nie geben», stellt die Kengelbacherin klar.

Direktvermarkter Roth
Andrea und David Roth bieten pasteurisierte Milch und verschiedene Joghurtsorten an.

Möglichst natürliche Produkte

Ein weiteres Merkmal der Joghurts ist, dass sie ohne Milchpulver und mit geringen Zuckermengen auskommen. Und das schätzt die Kundschaft: Genauso wie die ökologische Verpackung: Glas, das zurückgenommen, gewaschen und x-fach wiederverwendet wird. Nun gut, die Idee, Milch in Glasflaschen auszuliefern, ist nicht neu. Vor der grossen PET-Ära gab es auch den Milchmann, der die Milch in der Glasflasche auslieferte und die leeren Flaschen wieder mitnahm. Neu ist aber die Bestellaufgabe, via Mausklick und einem Tool, das die Familie mitentwickelte. Auf der Homepage/Onlineshop www.roth-milch.ch kann die Kundschaft einen Dauerauftrag für die wöchentliche Lieferung erfassen, kann sie aber auch anpassen oder bei Ferienabwesenheit aussetzen. Eine grosse Erleichterung im Bestellwesen. Man stelle sich vor, alle 190 Kunden würden anrufen und alle Änderungen oder Aussetzungen durchgeben. Obwohl – bitte nichts verdrehen: Andrea Roth schätzt den Kundenkontakt sehr und hat dafür auch ein eigenes Handy. Das Bestelltool ist aber nicht das Einzige, was übers Internet läuft: Die Werbung ist auf Facebook zu finden.

Die Technologie hilft mit

Unterstützung bekommen die Direktvermarkter von «Pro Farm», dem österreichischen Hersteller der Pasteurisier- und Abfüllmaschine. Die Joghurt-Rezeptur stammt auch von ihnen. Roths gaben ihnen Rückmeldungen und zusammen wurde die Rezeptur angepasst. Der Betrieb im Kengelbach ist der erste Schweizer Kunde.

Kühe im Stall.
Der Laufstall, der Melkroboter und die stetige Zufütterung mittels Futterroboter haben sich eingespielt.

Die Technologie ist auch im Stall anzutreffen: Folgt man von der Abfüllanlage, dem Schlauch, zur Leitung, weiter zum Tank, gelangt man über Umwegen nicht zur Melkmaschine sondern zum Melkroboter. «Den Lely-Melkroboter haben wir seit 2021», erklärt David Roth. Das Aufgabengebiet hat sich verschoben. Die Bauersfamilie arbeitet gleichlang wie andere auch für den Betrieb, nur wird zeitlich mehr in die Wertschöpfung der Milch investiert und klar: die Flexibilität hat zugenommen und die work-life-balance, das Vakuum zwischen Arbeit und Erholung, ist ausgeglichener. Das spüren auch die drei Kinder Lorena, Marina und Eliane.

Direktvermarktung als Lösung

Wenig ausgeglichen, sondern eher verunsichert waren Andrea und David Roth 2015. Wie viele Landwirte damals, waren sie bei einem Milchüberschusspreis von 35 Rappen pro Liter, nicht mehr hundertprozentig von der Milchwirtschaft überzeugt. 2015 war auch das Jahr der Betriebsübernahme von Köbi und Annamarie Bleiker und des Neubaus des Laufstalls. Zuvor arbeiteten die vier seit 2012 Hand in Hand in der Generationengemeinschaft. Noch heute arbeitet Köbi Bleiker auf dem Betrieb mit. «Das Grundkonzept konnten wir in der dritten Generation übernehmen, das war unser Vorteil. Es ist immer noch so wie früher, ausser dass wir es ausgebaut haben», erzählt David Roth. Die Betriebszweige sind dieselben: Schweinezucht, eigene Vieh-Aufzucht und Milchwirtschaft.

Im Schweinestall.
Die Sauenaufzucht ist ein weiteres Standbein. David Roth gibt den Ferkeln zweimal pro Tag Heu.

Im Schweinestall, der von Köbi und Annemarie Bleiker 2000 erbaut wurde, entstanden «Ferlinester» und Beschäftigungselemente. Im Viehstall surrt der Spaltenroboter und der Futterzuschieberroboter. Fünf bis sechs Kälber werden gezielt aufgezogen, die Kühe mit gesextem Samen besamt. Trotz den automatisierten Abläufen um die 26 Kühe, acht Galtlinge, etwa 60 Muttersauen und den durchschnittlich 1600 Ferkeln pro Jahr, bedarf es eines achtsamen Auges auf die Tiere, der Vorbereitung und der Programmierung. «Die technische Begeisterung muss schon da sein und die Bereitschaft, sich mit der neusten Technik zu befassen», meint David Roth schmunzelnd. Eine Eigenschaft, die Andrea und David Roth haben und die sie gezielt einsetzen. Somit schaffen sie Arbeitserleichterung an einem Ort und Arbeitskonzentration in einem anderen Betriebs-Aufgabengebiet. Immer im Bewusstsein, alles im Blickwinkel zu haben.

 

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