Monika Schmalbach führt eine Trachtenstube

Als Leiterin der Trachtenstube Teufen kennt sich Monika Schmalbach mit Trachten aus. Von der Trachtenvereinigung Appenzell Ausserrhoden hat sie einen Auftrag, den sie bestens mit ihrer Arbeit als selbständige Schneiderin kombinieren kann.

Mit den Schnittmustern auf dem Stoff schneidet Monika Schmalbach im Arbeitszimmer der Trachtenstube die roten Brusttücher für den Kurs zu.
Mit den Schnittmustern auf dem Stoff schneidet Monika Schmalbach im Arbeitszimmer der Trachtenstube die roten Brusttücher für den Kurs zu.

Ob edle Stoffe für Frauen- und Kindertrachten, Stoffe für rote Brusttücher und Hosenträger für Männer, Zubehör wie Hemdenstege oder Spitzli, Schuhe und Accessoires wie Broschen, Knöpfe, gestrickte Schals oder Taschen – die Trachtenstube an der Hauptstrasse 39 in Teufen hat alles im Angebot, was mit der Ausserrhoder Tracht zu tun hat. Besitzer dieser kostbaren Schätze ist die Trachtenvereinigung Appenzell Ausserrhoden. Verantwortlich dafür, dass immer alles griffbereit ist und das Lager an Stoffen gut gefüllt bleibt, ist Monika Schmalbach-Frischknecht. Die 48-Jährige hat vor elf Jahren die Leitung der Trachtenstube übernommen und setzt sich seither mit Fachwissen und viel Leidenschaft für das traditionelle Kleidungsstück ein.

Faszination Brauchtum

Als Leiterin der Trachtenstube blickt Monika Schmalbach auf ein gutes Jahr zurück. «Das Tragen von Trachten ist im Appenzellerland beliebt und eng mit der Tradition verbunden.» Dabei legen die meisten Einheimischen Wert darauf, dass die Tracht richtig getragen wird. So sind beispielsweise die Rocklänge, die Schnitte, oder welche Bluse zu der jeweiligen Tracht gehört, vorgeschrieben. Aber auch auf Kleinigkeiten wie die richtigen Knöpfe oder Fichu wird geachtet. Diese Richtlinien sind bei der Neuerschaffung der Frauentracht durch Paul Tanner festgehalten worden (siehe Kasten). «Vieles basiert auch auf Überlieferung», ergänzt Monika Schmalbach, die eine Ausbildung zur Damenschneiderin absolviert hat. Um in der Lehre etwas Geld zu verdienen, habe sie in den Ferien regelmässig Hemden für die Trachtenstube genäht. «Damals hatte ich jedoch noch kein richtiges Interesse am Trachtennähen», gesteht Monika Schmalbach, die in der bäuerlich geprägten Gemeinde Waldstatt aufgewachsen ist. «Die Faszi- nation am Brauchtum war aber immer da, das habe ich von mei-ner Mutter mitbekommen, die pensionierte Trachtenschneiderin ist.» Von ihr habe sie auch viel gelernt rund um die Ausserrhoder Tracht, ebenso von Ruth Lenz aus Trogen, Trachtenberaterin und ehemalige Leiterin der Trachtenstube.

Designerin und Verkäuferin

Als junge Schneiderin mit Weiterbildung zur Schnittzeichnerin hat Monika Schmalbach in fast allen Bereichen gearbeitet, die mit Mode zu tun haben. Sie nähte Blusen für die Konfektion, war Atelierleiterin in einer grossen Textilfirma, verkaufte Brautmode und designte Sportkleider. «Hier in der Trachtenstube kann ich das alles kombinieren – vom Design über die Produktion bis zum Verkauf», fasst sie zusammen. Arbeitet sie immer dienstags für die Trachtenvereinigung, gehören die anderen Tage ihrer Selbständigkeit als Schneiderin. Dass die Trachtenstube ganz in der Nähe ihres Zuhauses ist, ist für die zweifache Mutter ein Vorteil. «Nach der Schule können meine Kinder bei mir vorbeischauen.»

Die Puppen tragen verschiedene Ausserrhoder Trachten.
Die Puppen tragen verschiedene Ausserrhoder Trachten.

Anders als in der Textilbranche, wo in den vergangenen Jahren einige namhafte Firmen Konkurs gegangen sind, ist in der Trachtenstube die Nachfrage nach Massgeschneidertem gross. «Ab und zu kreiere ich auch Sachen, die nichts mit der Tracht zu tun haben», sagt Monika Schmalbach. «Unter anderem fertigte ich für ’schöne‘ Silvesterchläuse braune Tschööpli aus Ladenhosenstoff und machte Wintertrachten für die Rollenwieber, immer den Wünschen der Chläuse entsprechend.» Muss sich die Schneiderin beim Trachtennähen an Formen, Farben und Stoffe halten, kann sie bei diesen Aufträgen ihre Kreativität ausleben. Ihr grösstes Projekt im vergangenen Jahr sorgte schweizweit für Schlagzeilen. Der Mundartrapper Bligg fragte Monika Schmalbach an, ob sie ihm ein Brusttuch schneidern könnte, passend zu seinem neuen Album «Tradition». Für die 48-Jährige eine Ehre, aber auch eine Herausforderung. Rap und ein echtes Brusttuch passten für sie nämlich nicht zusammen. Die Vorstellung des Musikers liess sich nicht mit ihren Werten rund um die Ausserrhoder Tracht vereinbaren. Doch Monika Schmalbach wäre nicht Designerin, Schnittzeichnerin, Schneiderin und Verkäuferin in einem, wenn sie keine Ideen hätte. «Entstanden ist eine schwarze Weste, angelehnt an das rote Brusttuch, mit anderem Stoff und ohne die originalen Knöpfe.»

Die Trachtenstube ist die Schatzkammer der Ausserrhoder Tracht. Sie wurde 1998 gegründet und steht heute in Teufen.
Die Trachtenstube ist die Schatzkammer der Ausserrhoder Tracht. Sie wurde 1998 gegründet und steht heute in Teufen.

Stoff ist nicht gleich Stoff

Bei diesem Auftrag war sie froh um die Erfahrung ihrer Mutter. «Sie gab mir einen Mantelplüsch aus ihrem Lager, der ideal für die Weste war.» Der typische Wollstoff eines Brusttuchs wäre für einen schweisstreibenden zweistündigen Konzertauftritt nicht geeignet gewesen. Aktuell muss sie sich öfters mit Stoffen auseinandersetzen, als ihr lieb ist, denn mit dem Umbruch in der Textilindustrie werden die Bezugsquellen immer weniger. Als Beispiel nennt Monika Schmalbach die Lieferprobleme für den Ottoman, eine Art von Reps, aus dem das Mieder der Sonntagstrachten entsteht. «Seit zwei Jahren suche ich vergebens nach diesem edlen Seide-Wolle-Stoff.» Noch habe sie einige Meter an Lager, doch sie müsse vorausdenken, sagt die Schneiderin. Telefonate mit Stofflieferanten und auch die Prüfung von Bezugsquellen fordern sie heraus. «Irgendwann stellt sich dann auch die Frage, wie viel der Stoff kosten darf. Aktuell kostet der Meter Ottoman 150 Franken, doch ich rechne damit, dass er teurer wird.» Als günstigere Alternative prüft sie andere Materialzusammensetzungen. Die Entscheidung, bei einer Tracht das Material zu wechseln, liegt aber nicht nur in ihrer Hand. «Solche Sachen entscheide ich gemeinsam mit der Trachten- und Materialkommission.»

Die Freude an Handarbeiten

Eine Hauptsaison kennt die Trachtenstube nicht. «Anfang Jahr gebe ich Kurse, im Frühling geht es bereits wieder Richtung ‚Öberefahre‘ und Konfirmationen, im Sommer sind Trachten- und Jodelfeste, auch melden sich die ersten Silvesterchläuse, und im Herbst sind die Viehschauen sowie Unterhaltungen», zählt Monika Schmalbach auf. Während des ganzen Jahres könne sie auf bewährte Heimarbeiterinnen zählen. Einige Frauen nähen Hemden oder Ladenhosen, stricken Socken, Zipfelkappen und «Armstössli» oder knüpfen Fichu für die Trachtenstube. «Die Frauen machen das aus Freude, nicht wegen dem Geld», betont Schmalbach. Sie habe auch einige junge Frauen, denen sie dieses Handwerk beibringt. «Das ist zwar sehr zeitintensiv, doch ich habe nur so Chancen, neue Leute zu finden.» Sie selber identifiziert sich mit ihrer Tätigkeit und sieht sie nicht nur als Beruf, sondern auch als Hobby. Ihre Familie wisse, wenn sie hässig sei, müsse man sie nur nähen lassen, dann sei gleich alles wieder gut. Als Ausgleich ist Monika Schmalbach gerne zu Fuss in der Natur unterwegs oder liest ein Buch. In ihrer Freizeit hat sie nicht viele Berührungspunkte mit dem Brauchtum. «Doch wenn ich eine Tracht sehe, schaue ich natürlich schon genauer hin, ob sie auch wirklich passt.»

Die neue Frauentracht

Paul Tanner war ein Herisauer Zeichner, Maler, Grafiker, Illustrator und Kunstgewerbler. Er ist vor allem als Schöpfer der neuen Ausserrhoder Frauentracht bekannt, die heute noch getragen wird. Tanner erhielt 1925 vom kantonalen Heimatschutz den Auftrag für eine neue Frauentracht, da die alte Tracht schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gänzlich verschwunden war. ez.

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