Mangel an Alppersonal

Seit mehreren Monaten werden auf der Alpstellenbörse zalp.ch weniger Stellensuchende als offene Alpstellen verzeichnet. Gleichzeitig stellt das Alpofon seit zwei Jahren einen Rückgang an Freiwilligen fest. Vor allem kurzfristige Absagen stellen zunehmend ein Problem dar.

Die Zäune sind gestellt, Hütten geputzt und die Sennereien eingerichtet. In diesen Wochen wird das Vieh auf die Alpen getrieben. Doch mancherorts war es schwierig, die Alpstellen zu besetzen. Giorgio Hösli betreut die Stellenbörse auf zalp.ch und zeigt auf, dass vom vergangenen Dezember bis April deutlich mehr offene Alpstellen als Stelleninteressierte auf der Plattform zu verzeichnen waren. Noch im Mai suchten 46 Alpen über zalp.ch nach Hirten, Zusennen und Allroundern. Je nach Region und Alptyp ist die Situation jedoch unterschiedlich. Ein zunehmendes Problem in allen Alpregionen ist die Unzuverlässigkeit. Alppersonal, das kurz vor Sömmerungsbeginn bekannt gibt, dass es doch nicht z’Alp will oder kann, ist eine grosse Herausforderung für Alpverantwortliche.

Die Alpidylle trügt, kurzfristige Absagen erschweren den Saisonstart.
Die Alpidylle trügt, kurzfristige Absagen erschweren den Saisonstart.

Wertvolle Beständigkeit

Giorgio Hösli weist daraufhin, dass viele Leute, die auf der Online-Stellenbörse zalp.ch inserieren, zwar Interesse an einer Alpstelle haben, jedoch nicht zu 100 Prozent während der ganzen Alpsaison einsetzbar sind: «Das sind Menschen, die nur während wenigen Wochen Zeit haben, oder sie wollen ihre Kinder, Hunde oder Pferde mit z’Alp nehmen.» Solche Aushilfen sind vor allem bei Alpbeginn eine wertvolle Unterstützung. Wünschenswert ist jedoch eine Beständigkeit im Alpteam während des ganzen Sommers. Jeder Wechsel bedeutet neue Einarbeitungszeit und dadurch zusätzliche Belastung für die übrigen Teammitglieder. Wissen kann verloren gehen oder zwischenmenschliche Differenzen können entstehen. Auch die Fähigkeiten und Erfahrungen, die das Personal mitbringt, sind unterschiedlich und können eine Herausforderung für Teammitglieder und Alpverantwortliche darstellen.

Alpstellen auf grösseren Kuhalpen werden vermehrt unter der Hand vermittelt.

Professionellere Hirten

Die Ansprüche, vor allem an Schaf- und Ziegenhirten, sind deutlich gestiegen. «Gute Leute brauchte es schon immer, doch mit der heutigen Wolfssituation braucht es mehr und professionelleres Personal», weiss Giorgio Hösli. Die Zaunarbeit und der Herdenschutz sind aufwendig und können vielerorts nicht mehr von einer Person abgedeckt werden. Kilometerlange Zäune müssen ausgemäht, Netze auf- und abgebaut werden, Schafe müssen nachts eingepfercht sein und die Arbeit mit den Hunden fordert einen zusätzlich. Besonders bei grösseren Schafherden braucht es über den ganzen Sommer mehr als einen Hütehund. Ansonsten werden die vierbeinigen Helfer zu sehr ausgepowert. Giorgio Hösli bringt ein: «Nicht jeder Schafhirte ist auch Hundehalter, man muss wissen, wie man mit Hüte- und Herdenschutzhunden arbeitet.»

Und er stellt die berechtigte Frage, wo denn diese Hunde im Winter untergebracht werden sollen. Töni Gujan, Alpverantwortlicher am Plantahof, ergänzt, dass auch der finanzielle Aspekt eine wichtige Rolle spielt: «Viele Alpverantwortliche müssen sich auch fragen, ob sie sich zusätzliches Personal überhaupt leisten können.»

Regionale Unterschiede

Die Alpstellenbesetzung ist je nach Region unterschiedlich, momentan werden vor allem im Berner Oberland noch Arbeitskräfte gesucht. Auch im Kanton Graubünden gibt es noch offene Stellen. Während gut eingerichtete Kuhalpen wenig Probleme haben, ihre Teams zusammenzustellen, hapert es bei den Schaf- und Ziegenalpen, weiss Andreas Iten, Präsident der Fachkommission Alp- und Milchwirtschaft des Bündner Bauernverbands: «Alpstellen auf grösseren Kuhalpen werden vermehrt wieder unter der Hand vermittelt und sind bereits im November besetzt. Je grösser jedoch das Risiko von Grossraubtieren, desto schwieriger ist es, Personal zu finden.» Mühsam für die Alpverantwortlichen ist es, wenn sie die Zusage eines Älplers bekommen, dieser sich im Frühling jedoch anders entscheidet und die Stelle doch nicht antreten möchte. Christian Beglinger ist Präsident des Glarner Alpvereins. In den letzten Wochen wurde er auf mehrere solche Fälle aufmerksam gemacht. Die kleineren und mittleren Alpbetriebe im Glarnerland werden meist von den eigenen Familienmitgliedern bewirtschaftet und brauchen wenig zusätzliches Personal. «Auf den grossen Alpen, die auf drei bis vier Angestellte angewiesen sind, wird die Stellenbesetzung jedoch zunehmend schwieriger», weiss Christian Beglinger.

Nach kurzfristiger Absage unserer Schafhirtin suchen wir per sofort einen Hirten.

«Nein, ich komme doch nicht»

Kurzfristige Absagen sind auch in Graubünden ein zunehmendes Problem. Beispielsweise auf der Alp Gren in Obersaxen: «Nach kurzfristiger Absage unserer Schafhirtin suchen wir per sofort einen Hirten für 300 Schafe», das Inserat wurde am 24. Mai auf zalp.ch geschaltet. Auf Anfrage erzählte der zuständige Alpverantwortliche, dass noch vor drei Wochen die Älplerin geschrieben habe, sie würde sich auf den kommenden Alpsommer freuen, nun hat sie doch abgesagt. Töni Gujan erzählt, dass dieses Phänomen zugenommen hat und ein grosses Problem darstellt: «Wer bereitet die Alp vor? Woher nimmt man so kurzfristig einen Ersatz? Und wenn doch jemand einspringt, was kann er oder sie und wie lange werden sie bleiben?» Der Berater vom Plantahof rät, sich nicht auf einen Handschlag zu verlassen, sondern frühzeitig die Arbeitsverträge zu unterzeichnen. Natürlich kann dies nicht verhindern, dass jemand kurzfristig abspringt, doch die Bindung hat dann offiziellen Charakter.

St. Galler Alpen gut besetzt

Im Sarganserland und Werdenberg wie auch dem Toggenburg konnten die Alpstellen gut besetzt werden. Nur wenige Alpen in diesen Regionen suchten bis in den Frühling. Marco Bolt, Alpberater am Landwirtschaftlichen Zentrum St. Gallen LZSG, verweist auf die Ausbildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten: «Wir versuchen bei den landwirtschaftlichen Lernenden, bereits in ihrer Erstausbildung das Interesse an der Alpwirtschaft zu wecken.» Dazu werden die Wahlfächer Alpwirtschaft und Alpkäsekurs angeboten. Die einwöchigen Sennenkurse sind meist rasch ausgebucht und werden von Alpneulingen stark genutzt. In den Wiederholungskursen bietet das LZSG den erfahrenen Sennen eine gute Austauschplattform. Problematisch findet Marco Bolt die Personalwechsel, die in den letzten Jahren stark zugenommen haben: «Vor allem junge Älplerinnen und Älpler wechseln häufig ihre Stelle. Ein solcher Wechsel ist für die Alpverantwortlichen immer mit viel Arbeit verbunden, langjährige Zusammenarbeiten wären wünschenswert.» Der in Mels wohnhafte Berater weiss auch, dass vor allem in seiner Region das «Älplern» in der jungen Generation beliebt ist: «Viele Junge – auch aus der nicht landwirtschaftlichen Bevölkerung – warten nur darauf, dass gewisse Stellen endlich frei werden.»

Das Alpofon vermittelt

Seit 22 Jahren vermittelt das Alpofon Helfer, die bei fehlendem Alppersonal, Überlastung oder Unfall auf den Alpen über kurz oder lang einspringen. Im letzten Sommer wurde dieser Dienst von 75 Alpbetrieben angefragt, doch nur wenige Helfer hatten sich bei der Organisation für Einsätze gemeldet. In rund einem Viertel der Anfragen konnten wertvolle Arbeitskräfte vermittelt werden. Der langjährige Durchschnitt liegt jedoch bei 45 bis 50 Prozent Vermittlungserfolg. Die ehrenamtlichen Betreiber des Alpofones machen darauf aufmerksam, dass sich auch diesen Sommer nur wenige Arbeitswillige bei ihnen angemeldet haben. Durch zusätzliche Aufrufe hofft die Selbsthilfeorganisation, dass sie ehemalige Älpler, Alpinte ressierte und Landwirte zu spontanen Einsätzen motivieren können. cbd.

 

 

 

 

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