Der Schindelmacher Christian Lieberherr lebt uraltes Handwerk

Erst wenn der Baum gefällt, der erste Rugel Holz abgesägt und auf dem Holzschlagplatz von Hand gespaltet ist, erkennt Schindelmacher Christian Lieberherr, ob sich das Holz für die Herstellung von Schindeln eignet. Hat der Baum möglichst feine Jahrringe, ist die geforderte Qualität für die Verarbeitung der Schindeln gewährleistet. Ein Einblick in sein Handwerk.

Schindelmacher
Christian Lieberherr trennt vom frischen Stamm ein Holzrugel.

Es geschah auf einer Baustelle. Zwei markante Dinge trafen zusammen und bestimmten die Zukunft von Christian Lieberherr. Der gelernte Zimmermann war auf einem Bauplatz am Arbeiten und stellte fest, dass die Holzschindeln, die ein Österreicher anschlug, aus der Tschechoslowakei stammten. «Das kann es doch nicht sein», war seine Meinung und ist es heute noch. Im selben Jahr machte er auf seinem Hof einen Holzschlag, doch keiner wollte Schindelholz. Das war vor fünf Jahren. Seither ist er selbständiger Schindelmacher. Nachhaltigkeit ist für ihn nicht nur ein Wort. Christian Lieberherr legt Wert auf qualitativ gute und regionale Erzeugnisse. «Günstige Fabrikate aus asiatischen Billigländern finde ich daneben», sagt er. «Ich schwärme für Schweizer Qualitäts-Produkte.»

Der 50-jährige ist verheiratet mit Margrit und hat drei erwachsene Töchter. In seiner Freizeit geht er gerne z’Berg und singt im Ebnater Jodlerklub. Die Familie, die Rinderaufzucht betreibt, lebt in Neu St.Johann in einem 331-jährigen Bauernhaus. Holzresten aus der Schindelwerkstatt kommen in die Holzschnitzelheizung und wärmen Wohnhaus und Werkstatt. Die Abwärme der Schnitzelheizung benutzt Christian Lieberherr, um die fertigen, zu Bündeln geschnürten Schindeln zu trocknen. Dazu baute er in seiner Werkstatt einen langen Korpus als Schindeltrocknungsanlage. Nach dem Öffnen der grossen Holzklappe kann er die vollen Palettgitter direkt hineinfahren. Lässt er zum Schliessen die Holzklappe herunter, wischt der Luftzug grad auch noch die Werkstatt sauber.

Schindelmacher
Der Tüftler kontrolliert an seinem Schindelspalter, ob alles perfekt läuft.

Wie Schindeln entstehen

«Der Beruf des Schindelmachers existiert nicht eigenständig. Seit es Werkzeuge zum Spalten von Holz gibt, werden wohl Schindeln hergestellt. Früher war das eine Arbeit der Bauern, sie haben Schindeln für den Eigenbedarf gespalten. Mein Schiegervater hatte die Schindeln von Hand hergestellt, das war sehr aufwändig», erzählt er. Mittlerweile hat sich Christian Lieberherr seinen Arbeitsplatz nach Mass eingerichtet. Viele seiner Maschinen sind Prototypen Marke Eigenbau. «Weme zfuul isch vo Hand z’schaffe, dänn müend Maschine ane», witzelt er. Lachfältchen um seine Augen zeigen, dass der Handwerker oft zum Scherzen aufgelegt ist. Zusammen mit Thomas Frey, einem Landmaschinenmechaniker und Tüftler der Spezialwerkstatt für Land-, Forst- und Kommunaltechnik J. Heim in Ebnat Kappel, baute er diverse Geräte für seine Schindelherstellung.

Schindelmacher
Die Musterwand neben dem Werkstatteingang zeigt verschiedene Arten von Schindeln und deren Anschläge.

Bevor der Schindelmacher mit der Feinarbeit beginnt, trennt er mit dem langen Schwert seiner Motorsäge einen Holzrugel nach Mass vom frischen Stamm ab. Diesen rollt er auf eine am Boden liegende Holzplatte in seine Werkstatt. Er lässt die Holzplatte hochfahren, wuchtet den Rugel unter die Vorspaltmaschine, spaltet ihn in kuchenförmige Stücke und anschliessend parallel zu den Jahrringen in sieben Zentimeter grosse Holzklötze, die sogenannten Mösel. Ein Laserstrahl zeigt an, wo genau er spalten muss, um das geforderte Mass der Mösel zu erhalten. «Diese Idee mit dem Laser hatte ich während dem Schindeln machen», erzählt der Handwerker. Die Mösel, das Ausgangsprodukt für die Schindeln, werden quer zu den Jahrringen, den Fasern entlang gespalten. «Es braucht immer einen frischen Schnitt, damit die Fasern nicht aufstehen», erklärt er einen weiteren Arbeitsvorgang. Zum Abkanten an der umgebauten Spaltmaschine nimmt Christian Lieberherr ganz unkompliziert ein Holzbrett als Distanzgeber. In Zusammenarbeit mit dem lokalen Landmaschinenmechaniker baute Christian Lieberherr auch diesen Prototyp. «Die Messer haben einen Rundschliff wie bei einem Beil und können immer wieder geschärft werden», erklärt er.

Halbautomatische Schindelmaschine

Der eigentliche Geniestreich aber ist sein grosser, halbautomatischer Schindelspalter. Anhand von Skizzen verwirklichte der Fachmann vor ein paar Jahren mit Thomas Frey seine Idee. Damit die Produktion gesteigert werden kann, realisierten die beiden eine einfache, mechanische Maschine und beschleunigten damit die Schindelherstellung ohne Qualitätsverlust.

Grob umschrieben ist die Anlage wie ein grosser Gemüsehobel mit einem beweglichen Messer aufgebaut. Er legt die Mösel in die Maschine und per manuellem Knopfdruck werden sie pneumatisch auf einer Art Rutsche fixiert und mit einem elektrischen Mechanismus auf die Schneide gedrückt. Die einzelnen Brettchen werden vom Mösel abgespalten und im Nu entstehen 15 gleichmässige Schindeln.

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Seine Stanzmaschine, Marke Eigenbau, macht aus den rechteckigen Vorlagen Rundschindeln.

Der mechanische Spaltprozess entspricht der manuellen Herstellung, ist aber viel effizienter. Alle Arbeitsschritte sind denen von Hand ebenbürtig. Die in alle Richtungen frei bewegliche Klinge ist wie ein Schindelmesser geschliffen und arbeitet so, als ob man die Schindeln von Hand spalten würde. Das Messer ist aus gutem Stahl aus einem alten Fräsenblatt hergestellt und sucht sich den Weg eigenständig durch das Holz, die Fasern werden dabei nicht verletzt. Nach dem Spalten werden die Schindeln auf ein Band gelotst und mit Holzdübeln, die im richtigen Augenblick hoch- und runterfahren, in die korrekte Position zum Ausputzen durch eine Art Hobel gebracht. Anschliessend plumpsen sie zum Weitertransport auf ein Rollband, werden gezählt und fallen in eine Vertiefung, wo sie Christian Lieberherr zum Bündeln entnimmt. «Ich mache immer 250er-Bündel. Diese halbautomatische Maschine ist einfach und patent. Die günstigen Holzdübel erfüllen ihren Zweck genauso, wie teure Spezialanfertigungen», umschreibt er seine Art, praktisch und erschwinglich die Tradition zur Herstellung von Schindeln zu erhalten.

Verschiedene Formen

Will ein Kunde Rundschindeln, kommt die ebenfalls selbstgebaute Stanzmaschine zum Zug. Dazu stapelt er 12 bis 15 Schindeln in die Presse und stanzt die Rundschindeln aus. Je nach gewünschter Grösse wechselt der Schindelmacher den scharfen Metallschuh. «Die Messer habe ich bei einem mir bekannten Werkzeugmacher nach altem Muster machen lassen», schwärmt er.

«Schindeln unterscheiden sich regional in ihrer Form und Dicke. Im Toggenburg werden meist 24er Schindeln geschläuft angeschlagen, im Kanton Bern bevorzugt man dickere Schindeln. Wichtig ist, die Nässe von der Fassade wegzubringen und so ein Einsickern in die unteren Schindeln abzuwenden. Damit die unbehandelten Schindeln, die ja auch auf den Wetterseiten angebracht werden, Jahrzehnte halten sollen, muss man sie spalten und keinesfalls sägen.» Nur so könne das Regenwasser ablaufen und es bleibe kaum Feuchtigkeit zurück. «Je länger je mehr sind Holzschindeln von Bauherren und Dachdeckern wieder gefragt», beschreibt der Fachmann zudem die heutige Situation.

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Die Abkantmaschine ist ebenfalls ein Prototyp von ihm.

Sein Rohmaterial stammt aus der Region und wird im Winter geschlagen, wenn die Bäume nicht im Saft sind. Der Schindelmacher verwendet vorwiegend Fichte (Rottanne) und Weisstanne. «Fichte gibt den Schindeln durch ihren Harz mehr Glanz, Tanne ist eher matter im Holz. Zudem sollen die Bäume möglichst wenig Äste haben», klärt Lieberherr auf. Er verarbeitet mit einem Teilzeitmitarbeiter 40 bis 50 Kubik Rundholz pro Jahr und hat Kunden aus der ganzen Schweiz. «Schindeln machen ist eine Arbeit für die Ewigkeit», erzählt er von seiner Leidenschaft.

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Automatisch werden die Schindeln ausgeputzt und anschliessend weitertransportiert.

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