Buschenschank im Südtirol

Am Schnalshuberhof im Südtiroler Algund in Meran wird gekocht und serviert, was saisonal vom Hof verfügbar ist. Oberstes Ziel ist es, die höchstmögliche Wertschöpfung auf dem Betrieb zu generieren.

Christian Pinggera vor seinen Obstanlagen.
Christian Pinggera vor seinen Obstanlagen.

Der Schnalshuberhof, im Jahre 1318 erstmals urkundlich erwähnt, wurde lange als Viehwirtschaft betrieben und später als Obst- und Weinhof. Familie Unterweger-Pinggera bewirtschaftet den Hof seit 1533. Seit fast 30 Jahren geniessen Gäste die Produkte des Hofes im Buschenschank (ein Ort, an dem Landwirte ihre Produkte ausschenken und servieren dürfen). Entstanden ist er 1997 aus Überlegungen, wie man zwei Generationen mit einem Bauernhof in einer kleinteiligen Landwirtschaft ernähren könnte.

Mit der Idee des Buschenschanks ging die Umstellung auf biologische Wirtschaftsweise einher. Damals war Christian Pinggera einer der ersten Bauern in der Region, die auf Bio umstellten – für ihn eine logische Konsequenz seiner Philosophie und ein wichtiger Bestandteil der neuen Geschäftsstrategie. Christian Pinggera bewirtschaftet den Hof und die Gastronomie mit seiner Frau Margarethe, den Eltern und sechs Angestellten, von denen drei in Vollzeit arbeiten.

Mehr als 50 eigene Produkte

Sie produzieren über 50 Produkte und bereiten daraus traditionelle Südtiroler Gerichte plus Produkte für den Direktverkauf im Hofladen. Gesamthaft sind sieben Hektaren in der Bewirtschaftung, im Hauptanbau Wein. Zig verschiedene Weinsorten sind im Weinberg zu finden (vier weisse, mehrere rote Rebsorten). Auf vier Hektaren wird Obstanbau betrieben.

Wir sind keine Gastronomen. Wir richten es so, wie wir es auch gerne haben (…)

Von Kartoffeln und Roggen über Äpfel, Birnen, Salate, Gemüse und Kräuter bis zu Eiern und Fleisch kommt am Schnalshuberhof eine umfangreiche Lebensmittelpalette aus eigenem Anbau und eigener Haltung in die Küche und auf die Teller für die Wirtsstuben. Pinggera ist es nicht nur wichtig, wie man kocht, sondern vor allem mit welchen Ausgangsprodukten.

Traditionen als Grundstock

Die zwei alten Bauernstuben, das Herzstück des Hauses, bieten Platz für 50 Gäste. In der sogenannten Zeitungsstube kommen die Nachrichten aus dem Jahr 1870 unter der Tapete hervor. Damals wurden alte Zeitungen beim Tapezieren als Untergrund genommen. Die andere ist die getäfelte Bauernstube.

Die Relikte aus der Vergangenheit erinnern an die früheren Zeiten und schaffen somit eine ganz besondere, heimelige Atmosphäre. Buschenschank und Törggelen sind althergebrachte Traditionen. Aus beiden entwickelte Pinggera sein Business. Früher, als die Weintrauben mit der «Torggl», also der Weinpresse, gepresst wurden, kamen die Leute aus der Umgebung zur Verkostung, um die Qualität des neuen Weins zu bewerten. Später kehrten die Leute im Buschenschank ein und es wurden der Jahreszeit entsprechende Speisen gereicht. Das Törggelen im Herbst ist zu einem der Hauptanziehungspunkte des Südtiroler Tourismus geworden. Von Donnerstag bis Sonntag zwischen Mitte Februar und Mitte Dezember wird am Schnalshuberhof unkonventionell gekocht, serviert und gegessen – so, wie es die Bauernfamilie seit Jahrhunderten für sich selbst gemacht hat.

Der Schnalshuberhof inmitten der Oberplarser Weinberge und Obstgärten oberhalb von Algund.
Der Schnalshuberhof inmitten der Oberplarser Weinberge und Obstgärten oberhalb von Algund.

Herbst als umsatzstärkste Zeit

«Wir sind keine Gastronomen. Wir richten es so, wie wir es auch gerne haben, und wir profitieren von den alten Rezepten und der Kochkunst meiner Mutter, die meine Frau sich abgeschaut hat», so Pinggera. In der Törggelenzeit (Oktober bis Dezember) sind Würste, Schlachtplatte, Sauerkraut, Rohnenknödel und Gerstensuppe im Angebot. Das sei die umsatzstärkste Zeit am Hof. «Die Tage sind lang und fordernd, oft 15 Stunden lang», sagt der Landwirt. Zweimal im Jahr pausiert die Gastronomie: von Mitte Dezember bis Februar und ab Mitte Juli für drei Wochen. In dieser Zeit wird nicht geruht: Schlachten, Ernten, Einkochen und Brennen stehen auf dem Tagesprogramm. Werbung macht er keine. Die vielen Lobpreisungen haben die Runde gemacht. «Wir müssen sowieso schon Gäste wegschicken.» Volle Busse fahren am Schnalshuberhof nicht vor. «Bloss nicht in den Massentourismus abschlittern», ist die Prämisse.

Der 55-jährige Christian Pinggera absolvierte mehrere Ausbildungen: Getränketechniker, Brauer, Mälzer, Destillateur. Zusätzlich besuchte er die landwirtschaftliche Fachschule mit Fachrichtung Weinbau, Kellerwirtschaft und Obstbau. Kenntnisse in der Verarbeitung von Fleisch erwarb er sich in der Praxis bei Kollegen. Das Erlernte ist das eine, die Mentalität das andere. Der direkte Kontakt mit den Gästen erfordert Authentizität. Christian Pinggera vereint diese Talente: In der Wirtsstube ist er ein charmanter Gastwirt und exzellenter Verkäufer. Den Anbau hat er im Griff, und die optimale Verarbeitung der Produkte liegt ihm am Herzen.

«Wenn etwas alle ist, ist es alle»

Einen Hofladen, in dem er einen Teil seines Angebotes verkauft, eröffnete Christian Pinggera im Jahr 2016. Der Laden ergänze sich gut mit der Gastronomie. Vorrang habe jedoch der Buschenschank. 80 Prozent des Weines (zirka 12 000 Liter jährlich) schenkt der Wirt über den Buschenschank aus.

Aus Quitten, Kirschen, Zwetschgen, Himbeeren, Holunder wird Hochprozentiges, Sirup, Marmelade, Gelees oder Trockenobst. Über 15 verschiedene Obstbrände stehen in den Ladenregalen. Bei den Bränden habe sich das Konsumverhalten verändert: Im Buschenschank sei der Ausschank von Hochprozentigem zurückgegangen. Der grössere Anteil werde daher im Laden veräussert.

Ich produziere keine Einheitsstücke. Die Haxen sind mal grösser, mal kleiner.

Insgesamt habe er das Brennen dennoch zurückgefahren. «Dafür kochen wir mehr Sirup ein.» Christian Pinggera rechnet ein Beispiel: «Wenn ich eine Flasche Sirup (0,7 l) verkaufe, kostet die zehn Euro im Hofladen. Im Buschenschank bringe ich fünf bis sechs Liter an Getränken heraus und verkaufe sie glasweise.» Nachschub gibt es nicht, das heisst, es gibt keinen Zukauf. «Wenn etwas alle ist, ist es alle.» Das Keltern und Brennen bis zum Etikettieren – alle Arbeitsgänge erfolgen auf dem Hof.

Besondere Spezialität: Speck

Ganz besonders ist der Speck auf dem Schnalshuberhof. Über viele Monate – mindestens sechs – reifen die Hammen (so sagt man auf Südtirolerisch) auf dem Hof. 65 bis 70 Schweine verarbeitet der Landwirt. Die kauft er von sechs bis sieben Bauernkollegen. Die Schweine werden auf der Alm fett gezüchtet und gehen im September wieder talwärts.

Das Schlachtalter der Schweine beträgt zirka elf Monate. Metzger und die Höfe, von denen er die Schweine bezieht, liegen im Umkreis von 15 Kilometern. Kurze Transportwege und der Almauftrieb tragen zur hohen Qualität des Fleisches bei.

Im betriebseigenen Räucherkeller wird das Fleisch mild geräuchert, mit Pfeffer, Salz, frischem Wacholder und Lorbeerblättern gewürzt. Salami, Kaminwurzen und Speck entstehen. Haxen und Rippen werden tiefgefroren. Den Bauern zahle er sechs Euro pro Kilo ohne Eingeweide mit Kopf und Schwarte. Bei 150 Kilo erhält der Bauer rund 1000 Euro pro Schwein. Der Speck im Hofladen kostet 30 Euro je Kilo, die Würste 40 Euro je Kilo.

Der Buschenschank ist in Südtirol zwingend an einen Hof gebunden, der eigenen Weinanbau betreibt und hauseigene Weine erzeugt und ausschenkt.
Der Buschenschank ist in Südtirol zwingend an einen Hof gebunden, der eigenen Weinanbau betreibt und hauseigene Weine erzeugt und ausschenkt.

Ohne Speisekarte und Preisliste

Auch hier ist wieder die Devise: «Über die Schenke habe ich die höchste Wertschöpfung und bestimme den Tellerpreis.» Eine Speisekarte und Preisliste gebe es in den Wirtsstuben nicht. Christian Pinggera begründet das mit den unterschiedlichen Grössen der Fleischstücke. «Ich produziere keine Einheitsstücke. Die Haxen sind mal grösser und mal kleiner. Ich lege Wert darauf, dass ich das Fleisch komplett verwerte und bestimme so den Preis pro Portion.»

Die Gäste seien bereit, mehr zu zahlen. Aber auch das habe seine Grenzen und dürfe nicht überreizt werden. Es sei eine Mischkalkulation und auch sicher Idealismus dabei, sagt der Südtiroler.

«Wir sind zufrieden, haben Freude an unserer Arbeit und das Privileg, über den Preis selbst zu befinden.» Auf die Frage, was ihn fordert, antwortet Christian Pinggera: «Das Arbeitspensum.» Aber: «Ich bin unabhängig», schiebt er hinterher. Neue Lösungen brauche es für die Schädlingsbekämpfung, die von Jahr zu Jahr fordernder werde. Auch die Suche nach guten Mitarbeitern sei nicht einfach.

Den Blick in die Zukunft gerichtet, ist es für den Obstbauer wichtig, der Jugend, konkret seiner Tochter, eine Perspektive zu bieten, ohne dass sie reine Subventionsempfänger sind. Der Hof müsse sich wirtschaftlich tragen. «Ist es nicht legitim, dass der Bauer für seine Lebensmittel einen guten Preis erhält?», fragt er nachdenklich.

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