Sehnenstelzfuss bei Kälbern: Ursachen und Lösungen
Der Sehnenstelzfuss ist eine weltweit auftretende Erkrankung bei Kälbern, die sowohl Milch- als auch Fleischrassen betrifft. Besonders bei neugeborenen Tieren fällt die Fehlstellung der Gliedmassen auf. Unklar ist bisher die genaue Ursache, doch verschiedene Therapieansätze versprechen Erfolg – abhängig vom Schweregrad der Erkrankung.

Der Sehnenstelzfuss ist eine weltweit vorkommende Erkrankung und betrifft gemäss verschiedener Studien 0, 2 bis zehn Prozent aller Kälber. Die Krankheit wird in der Regel bei frisch geborenen Kälbern sowohl bei Milch- als auch bei Fleischrassen beobachtet. Ältere Kälber können allerdings auch betroffen sein.
Die Ursache ist unklar
Der Sehnenstelzfuss tritt meist als angeborene Erkrankung auf, wobei dessen Ursache bis anhin nicht vollständig geklärt ist. Man geht von verschiedenen Theorien aus, welche das Auftreten der Erkrankung beeinflussen können, wobei man im Endeffekt von einer Schädigung im Rückenmark beziehungsweise von bestimmten Nervenästen ausgeht. Aus genetischer Sicht ist vermutlich von einem komplexen Vererbungsmuster auszugehen, bei dem viele verschiedene Gene ineinander spielen. Männliche Kälber scheinen zudem häufiger betroffen zu sein als weibliche Tiere und ebenfalls wird die Krankheit häufiger bei Zwillingen und bei in Hinterendlage geborenen Kälbern beobachtet. Mangelnde Platzverhältnisse in der Gebärmutter in der zweiten Hälfte der Trächtigkeit werden ebenfalls als mögliche Ursache beschrieben. Andererseits werden auch Infektionen während der Trächtigkeit (z.B. BVD-Virus, Blauzungen-Virus, Schmallenberg-Virus) und fütterungsbedingte Ursachen (z.B. Mineralstoffmangel, Pflanzengiftstoffe) diskutiert, welche die Erkrankung begünstigen können.
Nebst dem angeborenen Sehnenstelzfuss kann die Erkrankung insbesondere bei älteren Kälbern auch erworben sein. Wenn die Gliedmasse nicht mehr belastet wird, wie beispielsweise nach einer Nervenlähmung, eines Knochenbruchs oder einer schmerzhaften Sehnen- oder Gelenkserkrankung, so kann sich der muskuläre Anteil der Beugesehnen zusammenziehen und ein ähnliches Krankheitsbild wie beim angeborenen Sehnenstelzfuss hervorrufen.
Krankheitsgrad bestimmt Therapie
Entsprechend der Ausprägung der jeweiligen Beugehaltung kann die Krankheit in verschiedene Grade eingeteilt werden, wobei sich auch die Prognose am Grad der Erkrankung orientiert. In den am häufigsten auftretenden leichten Fällen (Grad 1) zeigt sich eine geringfügige Beugehaltung des Vorderknies und/oder eine Steilstellung der Zehe, wobei das Gewicht auf die Klauenspitze verlagert ist. Die Prognose bei solchen Tieren wird als gut eingeschätzt, wobei der Heilungsverlauf innerhalb weniger Wochen abgeschlossen sein sollte. Die Basis des Erfolges liegt hierbei in der «Physiotherapie». Mehrmals tägliches Dehnen der betroffenen Gliedmassen (mit entsprechend dosierter Kraftaufwendung) sowie Führen auf hartem Untergrund wird empfohlen. Besteht eine deutliche Beugehaltung des Vorderknies und/oder eine ausgeprägte Steilstellung der Zehe und knickt das Tier mit den Gliedmassen ein (Fessel- und/oder Vorderkniebereich) spricht man von einem Grad 2 der Krankheit. Betroffene Tiere stehen nur kurz und das Gehen erfolgt nur unter Schwierigkeiten.

In solchen Fällen kann die Klauensohle mittels Aufkleben eines Holzklötzchens nach vorne verlängert und dadurch eine Streckung der Gliedmasse gewährleistet werden. Das Anbringen eines hohen Schienenverbandes stabilisiert die Gliedmasse zusätzlich. Der Schienenverband bedingt allerdings einer guten vorhergehenden Polsterung, um die Gefahr von Druckstellen zu vermeiden. Kann ein betroffenes Tier nur noch auf den Fesselköpfen oder den Vorderkniegelenken Gewicht aufnehmen und lassen sich die Gliedmassen auch in Narkose nicht mehr vollständig strecken, so liegt ein Grad 3 der Erkrankung vor. Hierbei kann mittels eines operativen Eingriffes versucht werden, die beteiligten Strukturen zu durchtrennen, um eine Streckung der Gliedmasse wieder gewährleisten zu können. In sehr ausgeprägten Fällen müsste aber unter Umständen eine Euthanasie («Einschläfern») einer Operation vorgezogen werden. Aufgrund der möglichen genetischen Komponente der Erkrankung ist eine Weiterzucht mit betroffenen Tieren als fragwürdig zu erachten.
*Der Autor ist Grosstierarzt