Gross, grösser, Rekord: Jürg Wiesli und sein Riesengemüse

Jürg Wiesli baut in seinem Garten im thurgauischen Dozwil Riesengemüse an. Mit einer 45 Zentimeter langen Chilischote hat er es sogar ins Guinness-Buch der Rekorde geschafft. Im Jahr 2009 hat er zum ersten Mal an einer Meisterschaft teilgenommen und wurde sogleich Schweizer Meister – mit einem grünen Riesenkürbis, der 243.5 Kilo wog.

«Es ist mit den Riesen-Kürbissen wie bei einem Formel-1-Rennen. Es kann immer etwas passieren», sagt Jürg Wiesli, während er auf einen Riesenkürbis zeigt. Auf einer Fläche von 400 Quadratmetern baut der 62-jährige Hobbygärtner in thurgauischen Dozwil Gemüse an. Doch was er anbaut, ist nicht Gemüse, das frisch geerntet im Kochtopf landet. Der Bäcker-Konditormeister ist Züchter von Riesengemüse und hat schon zahlreiche Rekorde gebrochen. Im Herbst 2018 hat er es mit einer 50.5 Zentimeter langen Chili ins Guinness-Buch der Rekorde geschafft. Im Jahr 2015 hatte er mit 3,297 Kilo auch die grösste Tomate der Welt und vor 15 Jahren wurde er Schweizer Meister mit einem grünen Riesenkürbis, der 243,5 Kilo auf die Waage brachte.

Ein Kürbissamen aus Belgien

Angefangen hat alles vor knapp zwanzig Jahren. Damals habe er einen Artikel über Riesenkürbisse gelesen, in dem von Rekorden und Wettbewerben in Amerika berichtet wurde. Der Rekord lag bei ungefähr 350 Kilo. Danach habe er dem Europameister, der in Belgien lebt, einen Brief mit einem Zwanzig-Euro-Schein geschickt, mit der Bitte, ihm einen Samen seines Riesenkürbisses zuzustellen. Das Geld sei im Couvert zurückgekommen, dem jedoch ein Samen beigelegt war. Der Europameister habe ihm geschrieben, dass er sich freuen würde, wenn auch in der Schweiz Riesenkürbisse gezüchtet würden. In demselben Jahr hat Jürg Wiesli erfahren, dass der Erlebnisbauernhof Juckerhof in Seegräben am Pfäffikersee erstmals eine Schweizer Meisterschaft im Kürbiswiegen lancierte, in Zusammenarbeit mit GPC, dem Weltverband der Riesenkürbis-Züchtern. Seit seiner ersten Teilnahme an der Schweizer Meisterschaft im 2009 ist Jürg Wiesli mehrfacher Rekordhalter im Züchten von Riesenkürbissen und anderem Riesengemüse. Seine unzähligen Trophäen und Auszeichnungen zeugen davon.

Jürg Wiesli mit einem Riesenkürbis, der bei ihm im Garten wächst. Bild: Yvonne Aldrovandi-Schläpfer

Es beginnt beim richtigen Saatgut

Der Anbau von Riesengemüse erfordert ein breitgefächertes Wissen, das sich Jürg Wiesli im Selbststudium angeeignet hat. «Es beginnt schon beim richtigen Saatgut», weiss er. Aussergewöhnliche Kürbis-Exemplare gäbe es nur von der Sorte Atlantic Giant. Der Samen davon wird im Internet zwischen 20 bis 250 Euro das Stück gehandelt. Der teuerste Samen, nur ein einziger, sei einst für 1000 Euro in England verkauft worden. Das grösste Kürbis-Exemplar, das Jürg Wiesli jemals in seinem Garten hatte, wog 619 Kilo und dies ohne Beigabe von Pflanzenhormonen, wie er betont.

Um einen Riesenkürbis anzubauen, brauche es pro Pflanze etwa 100 Quadratmeter Boden. «Unser Garten ist nicht gerade der grösste, deshalb haben meine Kürbispflanzen nur die Hälfte dieser Fläche», verrät Wiesli. Nebst einem hochwertigen Saatgut sei auch die Bodenvorbereitung wichtig. Um die Erde mit Humus und Nährstoffen anzureichern, verwendet Jürg Wiesli Kompost, dem er Mykorrhiza-Pilze beimischt. Diese verbessern die Aufnahme von Wasser und Nährstoffen sowie die Bodenstruktur. Dies führt zu einem verbesserten Pflanzenwachstum sowie besserer Pflanzengesundheit und deren Qualität. Um den Boden zu lockern und zu belüften, gräbt er diesen im Frühling mit der Gartenfräse um.

Selber bestäuben

Damit sich ein Riesenkürbis entwickeln kann, lässt er nur eine Blüte an der Pflanze stehen.

Damit keine falsche Befruchtung durch Insekten vorkommt, nimmt Jürg Wiesli eine männliche Blüte, knickt sie ab und entfernt die Blütenblätter sorgfältig. Die Staubfäden reibt er dann auf die Narben der weiblichen Blüten. Diese Bestäubung macht Wiesli am frühen Morgen, wenn es noch feucht ist. «Es gibt Zuchtbücher über Kürbisse und auch Stammbäume – beinahe wie bei der Pferdezucht», erklärt er.

Jürg Wiesli hat es 2018 mit einer 45 Zentimeter langen Chili ins Guinness-Buch der Rekorde geschafft. Bild: Yvonne Aldrovandi-Schläpfer

Der Kürbis, der heranwächst, brauche Aufmerksamkeit. Beispielsweise könne die Wurzel abfaulen, die Ranke zerreissen oder der Kürbis von Schnecken befallen werden. Das nasse und kalte Wetter im vergangenen Frühjahr habe zudem den Echten Mehltau begünstigt. Wenn der Kürbis so gross wie ein Medizinball ist, gräbt Jürg Wiesli ein Loch in die Erde, legt eine Palette hinein und lässt den Kürbis darauf weiterwachsen. Das Hauptwachstum sei zwischen Ende Mai und August. Danach reife der Kürbis nur noch aus. Sein Riesengemüse wächst teilweise in einem Gewächshaus, in dem Jürg Wiesli einen Lüfter installiert und Sonnenschirme aufgestellt hat. «Damit das Gemüse nicht schon draussen gekocht wird und die Haut zart und elastisch bleibt», sagt er dazu. Sein Riesengemüse im Freiland hat er mit Hagelnetzen geschützt.

Ein Wunder der Natur

Im Oktober, wenn Jürg Wiesli seinen grössten Kürbis zum Wiegen an die Schweizer Meisterschaft bringt, fährt sein Sohn Daniel, der Meisterlandwirt und Agrotechniker ist, mit dem Hoflader vor. Damit kann der Riesenkürbis samt Palette in einen Anhänger gehievt werden. «Dieses Bild, ein Auto mit einem Riesenkürbis auf dem Anhänger, bringt so manchen zum Staunen.» Als Züchter ist Jürg Wiesli Jurymitglied beim Kürbiswiegen. In der Jury seien der Veranstalter, ein Verantwortlicher von GPC sowie ein erfahrener Züchter, der beurteilt. Bei der Bewertung des eigenen Kürbisses trete er allerdings in den Ausstand. Nach der Meisterschaft fährt Jürg Wiesli seinen Riesenkürbis wieder nach Hause. Dort findet er immer Abnehmer, die beim Essen mithelfen.

Sohn Daniel Wiesli mit dem Stapler und Brigitte Wiesli im 2018 beim Bergen des Riesenkürbisses (619.8 kg) aus dem Folientunnel. Bild: zVg.

Der Züchter empfiehlt, den angeschnittenen Kürbis nicht in Frischhaltefolie einzuwickeln, sondern ihn offen in den Kühlschrank zu legen. Dort sei er so etwa zwei Wochen haltbar. Jürg Wiesli bezeichnet Kürbis als Universalgemüse, denn er ist vielseitig verwendbar. «Von der Kürbissuppe, über die Konfitüre bis hin zum Kürbisbrot und -kuchen. Es gibt viele Kürbisrezepte.»

Wächst bei Wieslis eigentlich nur Rekordgemüse im Garten? «Nein, für den eigentlichen Gemüsegarten ist meine Frau Brigitte zuständig. Das Riesengemüse hingegen ist mein Gebiet», sagt er und ergänzt, dass er täglich zwischen eineinhalb und zwei Stunden im Garten arbeite. Es mache Freude und sei ein Ausgleich zur Arbeit. «Ein Riesenkürbis ist ein Wunder der Natur. In rund 90 Tagen entsteht aus einem kleinen Samen ein solches Exemplar.»

Aufgewachsen ist Jürg Wiesli in der Stadt St.Gallen. Schon sein Vater habe gerne im Garten gearbeitet. «Er war Präsident der Schrebergärten in Rotmonten und mein Götti Gärtner.» Seine Frau Brigitte Wiesli Harder ist auf der Storchegg in Niederbüren aufgewachsen. Heute führt ihr Bruder dort einen Landwirtschaftsbetrieb. Jürg Wiesli könnte es sich nicht vorstellen, ohne Garten zu sein. Die Beschäftigung mit und in der Natur sei Balsam für Seele und Körper.

Übrigens, an der Schweizer Meisterschaft im Riesengemüse-Wiegen in Jona hat Jürg Wiesli heuer mit seinem 3,337 Meter Longgourd (lange Kürbisse) einen neuen Schweizer Rekord aufgestellt.

Jürg Wiesli hat kürzlich mit seinem 3,337 Meter langen Longgourd einen neuen Schweizer Rekord aufgestellt. Bild: zVg.

 

 

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