Winzeralltag im Winter: Was passiert in den Rebbergen, wenn es kalt ist?
Im Winter kehrt Ruhe in die Rebberge ein, doch für die Winzerinnen und Winzer gibt es viel zu tun. Rebschnitt, Pflege der Infrastruktur und die Planung für das kommende Jahr stehen auf dem Programm. Die kalte Jahreszeit bietet zudem Zeit für Weiterbildung und neue Ideen.

Kalt und grau ist es vor Weihnachten im Thaler Rebberg. Der Wind pfeift einem um die Ohren. Die Luft riecht nach Schnee. Der einzige Farbtupfer an diesem Morgen kriecht über den Bus von Bio-Weinbau Knechtle Glogger: eine übergrosse Weinbergschnecke im weinroten Logo. Die lebendigen Exemplare dieser Tierchen mit dem spiralförmigen Haus sind übrigens typische Rebberg-Bewohnerinnen.
Im Winter im Rebberg
Winzerin Fabia Knechtle Glogger schubst mit einer Schaufel die übers Jahr angesammelten Grünabfälle über eine natürliche Rutschbahn talwärts. Sie landen in einer Grube, die bis vor Kurzem gefüllt war mit kompostierter Erde. Diese liegt nun zu Füssen der Rebstöcke, vermischt mit Pflanzenkohle. «Wir haben vor zwei Jahren angefangen, unsere Komposterde mit Aktivkohle anzureichern. Diese stellen wir in einem Pyrolyseverfahren im Ofen selbst her und erhoffen uns damit, dass sich der Humusgehalt und die Bodenqualität langfristig erhöht.» Die Pflanzenkohle wird aus beliebigem organischem Material gewonnen. Ihr Vorteil: Sie kann im Boden nicht weiter abgebaut werden und verbleibt dort für Tausende von Jahren.
Fabia Knechtle Glogger ist Winzerin. Eine der wenigen in der Region. Vor acht Jahren übernahm sie das Bioweingut Edy Geiger. «Als Umweltingenieurin habe ich viele Bauern beraten und Projekte mit ihnen umgesetzt. Doch damals wollte ich mir selbst etwas aufbauen.» Per Zufall sah Edy Geiger, der eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger für seinen Bioweinbaubetrieb suchte, ihr Inserat auf der Biobörse. «Ich arbeitete zwei Jahre lang mit ihm zusammen, lernte sehr viel von ihm und übernahm 2017 den Betrieb.» Vom Ertrag kann sie nicht leben: «Ich arbeite 20 Prozent bei Stadtgrün in St. Gallen und realisiere mit meinem eigenen Öko-Büro Biodiversitätsförderung und Aufwertungsprojekte. Mein Mann arbeitet beim Amt für Umwelt im Kanton Appenzell Ausserrhoden.»

Der Winter tut gut
Für Fabia Knechtle ist der Winter wichtig. «Ich geniesse diese ruhige Zeit sehr. Alles läuft etwas gemütlicher ab und wir können uns die Zeit selbst einteilen.» Für die Winzerin ist der Winter auch dazu da, sich zu erholen, im eigenen Garten zu werkeln, mit ihrem Hund ausgiebige Spaziergänge oder Hundesport zu machen, Freunde zu treffen und auch mal in Ruhe ein Buch zu lesen.
Auch andere Thaler Winzer schätzen die ruhigere Winterzeit.
Roman Rutishauser vom Weingut am Steinigen Tisch geniesst es, zu entschleunigen, beim Arbeiten an der frischen Luft den Kopf zu lüften und die Gedanken schweifen zu lassen.
Für Tom Kobel von der Ochsentorkel Weinbau AG liegt im Winter auch einmal eine Woche Ferien drin, obwohl es viel Zeit benötigt, seine rund 30 000 Rebstöcke zu schneiden. Willi Tobler von Weinbau Tobler schätzt am Winter vor allem die kürzeren Arbeitszeiten. Doch was genau gibt es im Winter eigentlich zu tun?

Reben schneiden
Die Rebe befindet sich über die Wintermonate in der sogenannten Winterruhe. Der optimale Zeitpunkt also, sie zurückzuschneiden. Winzerinnen und Winzer legen mit dem Schnitt die Grundlage für den Ertrag des kommenden Weinjahres und fällen Entscheide zur optimalen Förderung jedes einzelnen Rebstockes.
«Beim Rebschnitt hat jeder von uns seine eigene Philosophie und das Rezept, auf das wir schwören. Ich würde ausser meinem Mann nie jemand anderes meine Reben schneiden lassen.» Für Fabia Knechtle Glogger ist Rebenschneiden wohltuend meditativ: «Eine sehr schöne, ruhige Arbeit, da die Vegetation schlummert und man nicht das Gefühl hat, allem hinterherzurennen, wie das im Sommer oft der Fall ist.»
Ideen entwickeln, weiterbilden
Im Winter muss das ganze Drahtgerüst instand gestellt werden. Morsche Pfähle werden ersetzt, lahme Drähte gespannt, Sturmschäden repariert und Reben ausgerissen, die im Frühling durch neue ersetzt werden sollen.
Auch Umgebungsarbeiten wie der Rückschnitt von Heckensträuchern und Bäumen oder das Ausbessern von Fahrgassen für die bessere Befahrbarkeit mit den Maschinen werden im Winter erledigt. Zurzeit grasen Schafe eines befreundeten Schafhalters die Wege zwischen den Reihen ab. Über diese tierische Hilfe freut sich die Winzerin sehr: «Sie sind für uns jedes Jahr eine willkommene Unterstützung.»
Im Winter finden oft auch Weiterbildungen und Fachtagungen statt. Man schmiedet Pläne, was man im kommenden Sommer alles ausprobieren, anders, besser machen möchte. Eine willkommene Zeit also für die Weiterentwicklung und Planung von guten Ideen.
Weine überwachen
Im Weinkeller wird der neue Wein in den Fässern oder Chromstahltanks überwacht und kontrolliert. So zum Beispiel der Fortgang des Biologischen Säureabbaus (BSA). Regelmässig müssen die Jungweine mittels Degustation überprüft werden. Anfangs wöchentlich, später alle paar Wochen.
Den Winter hindurch gibt es immer wieder einzelne «Kellertage». Diese plant Fabia Knechtle Glogger dann ein, wenn das Wetter zu nass oder zu kalt ist für das Arbeiten in den Reben. «Im Dezember führen wir auch Degustations- und Verkaufstage durch. Was über den Webshop bestellt wird, muss verpackt und verschickt werden.»
Der Winter ist für die Winzerinnen und Winzer also dazu da, die Reben auf den neuen Jahrgang vorzubereiten, die Infrastruktur zu richten und neue Energie zu tanken, um dann für die strenge Zeit zwischen Blüte und Ernte gewappnet zu sein. Denn, wie die letzten Jahre zeigten, muss man auf alles gefasst sein: auf Wetterkapriolen und Schädlinge aller Art.
