Neue Obstsorten Witta, Wisper und Wally überzeugen
Der alljährlich stattfindende Fachgruppenanlass Mostobst der Kantone St. Gallen und Thurgau thematisierte die moderne Apfelzüchtung und die Einführung von drei Mehrfachnutzungssorten im Mostapfelanbau. Über 70 Mostapfelproduzenten folgten den verschiedenen Referaten.
Simone Bühlmann-Schütz ist seit dem Jahre 2013 im Team der Apfelzüchtung an der Agroscope Wädenswil tätig und seit Herbst 2023 die Apfelzüchterin bei Agroscope. Was macht einen guten Apfel aus? Nebst einer hohen Produktivität mit stabilen hohen Erträgen wird eine homogene und gute Fruchtqualität sowie eine gute Lagerfähigkeit und eine gute Haltbarkeit erwartet. Seit etwa 40 Jahren wird auch intensiv auf Resistenz und Robustheit gegenüber Krankheiten gezüchtet. Erwähnt seien hier die Schorf-, Mehltau- und Feuerbrandresistenz. Die Sortenzüchtung ist ein enorm aufwendiger, interdisziplinärer Prozess. Auch wenn man mittels gezielter Kulturführung im Gewächshaus und dem Einsatz der markergestützten Selektion Zeit gewinnen kann, bleibt die Züchtung vorderhand ein Generationenprojekt. Neue Möglichkeiten könnten sich mit der Einführung von neuen Züchtungsmethoden, wie der Cisgenese oder der Genomeditierung, ermöglichen, die derzeit aber aufgrund des Gentechnik-Moratoriums nicht erlaubt sind.
Witta, Wisper und Wally
Das Apfelzüchtungsteam der Agroscope hat schon einige Tafelapfelsorten auf den Markt gebracht. Bekannte und beliebte Sorten neueren Datums sind sicher Milwa-Diwa, Ladina und Iori. Nun reihen sich auch Witta, Wisper und Wally in das Agroscope-Sortiment ein. Wie kam es dazu? Nach dem starken Feuerbrandjahr im Jahre 2007 wurden diverse Forschungsprojekte gestartet. Ziel war es, feuerbrandrobuste Sorten mit guten Baum- und Fruchteigenschaften für die Verarbeitung zu finden, die sich für den Anbau auf Hoch- und Niederstamm eignen. Nebst vielen alten bekannten Sorten wurden auch Zuchtklone von Agroscope, unter anderem ACW 11303, ACW 15097 und ACW 16426, in die Testung aufgenommen.
Die ersten Gerüstveredlungen der Zuchtklone auf Hochstammschneiderapfel wurden 2010 vorgenommen. Ihre Schorfresistenz und Robustheit und Resistenz gegenüber Mehltau sowie die Robustheit gegenüber Feuerbrand waren aus den Testungen bei Agroscope bereits bekannt. Um Näheres über die Fruchteigenschaften zu erfahren, wurden nebst der Frucht- und Saftanalytik auch diverse sortenreine Produkte wie Apfelsaft, Cider, Apfelmus, getrocknete Apfelringe und Apfelbrände hergestellt. ACW 11303 und ACW 15097 ergeben einen ausgeglichenen, süsslichen Apfelsaft, was eine absolute Bereicherung ist. Sie eignen sich zur Herstellung von Direktsaft (Apfelsaft) mit einer süsslichen Note. Nach all den Testungen mit positiven Rückmeldungen wurden die Zuchtklone 2024 zum Sortenschutz angemeldet und schliesslich getauft: ACW 11303 wird zu Witta, ACW 15097 zu Wisper und ACW 16426 zu Wally. Das «W» steht für Wädenswil.

Die drei «W» in der Praxis
Im Anschluss an das Referat von Simone Bühlmann-Schütz berichteten Alois Schilliger Senior aus Flawil und Tobias Stadler aus Dozwil über die gemachten Erfahrungen mit den neuen Sorten.
Schilligers in Niederglatt waren von Beginn weg eingebunden in die von der Forschung und Beratung getragenen Projekte Sofem, Herakles und ZUEFOS. Finanziell unterstützt wurden die Projekte durch die Cavo-Stiftung, eine Stiftung der Mostereien. Bei Schilligers in Niederglatt stehen nebst den drei Sorten noch viele andere Zuchtklone der Agroscope in Testung. Am meisten Erfahrung liegt bei der Sorte Witta vor, die sehr regelmässige, hohe Erträge hervorbringt; die Früchte reifen Ende Oktober, lassen sich gut schütteln, haben eine hohe Festigkeit und eine gute Pressbarkeit. Die Wuchskraft ist mittel, mit einer schönen Kronenbildung. Wisper hat ein starkes Wachstum, bildet eine schöne Krone mit einer leichten Tendenz zu hängenden Ästen. Die Früchte sind gross und gut schüttelbar. Der Reifezeitpunkt ist im September. Wally hat von den drei Sorten das geringste Wachstum, daraus ergibt sich eine mittelgrosse Krone. Die Sorte ist sehr fruchtbar, neigt daher auf Hochstamm zu einer leichten Alternanz.
Tobias Stadler von der Bofru (Früchte aus der Bodenseeregion) berichtete über die Sorte Wisper. Er hat sie auf dem Versuchsbetrieb in Güttingen gesichtet. Sie wurde dort als interessante Neuheit eingestuft. Beeindruckend war die hohe Fruchtbarkeit, die ausgewogen süssliche Note im Geschmack und die Fruchtgrösse. Daraus lässt sich schliessen, dass sich die Sorte sowohl als Tafelapfel als auch als Verarbeitungsapfel eignet. Erste Tests mit der Herstellung von Apfelringen bestätigen dies. Derzeit stehen auf dem Betrieb 50 Aren. Folgende Eigenschaften wertet Tobias Stadler als positiv: hohe Erträge, grossfruchtig, kugelig, Erntezeitpunkt zwischen Gala und Golden, die Schorf- und Mehltauresistenz sowie die Mehrfachnutzung als Tafel- und Verarbeitungsapfel. Die ungleiche Abreife erfordert bei der Nutzung als Tafelapfel zwei bis drei Erntedurchgänge und kann zu einem leichten, vorzeitigen Fruchtfall führen.
Intensive Wicklerbekämpfung
Richard Hollenstein berichtete über den aktuellen Stand zur Wicklerbekämpfung im Obstbau im Jahr 2025. Zur Apfelwicklerbekämpfung im Hochstammanbau sind derzeit noch drei Wirkstoffe bewilligt. Nebst dem Apfelwicklergranulosevirus sind dies der Wirkstoff Spiretoram (Zorro) und der Wirkstoff Spinosad (Audienz, Elvis). Zorro hat mit drei Wochen die längste Wirkungsdauer der zugelassenen Mittel und darf zweimal pro Jahr und Parzelle eingesetzt werden. Miterfasst wird beim Einsatz von Zorro der Schalenwickler. Nachteilig bei einem Einsatz von Zorro ist die mittlere Toxizität gegenüber Nützlingen. Bei einem witterungsbedingten sehr lang anhaltenden Flug des Apfelwicklers ist im Vor- und Nachgang des Zorro-Einsatzes das Granulosevirus einzuplanen. Audienz und Elvis haben nur eine Wirkungsdauer von zirka zehn bis 14 Tagen.
Die Allgemeinverfügung des BLV zur Bekämpfung des Pflaumenwicklers bei Zwetschgen und Pflaumen ist auf den 5. März 2025 datiert. Diese erlaubt die Bekämpfung des Pflaumenwicklers mit den Wirkstoffen Spinetoram (Zorro) und Emamectinbenzoat (Affirm, Affirm Profi, Atac, Rapid). Zorro darf mit Auflagen dreimal pro Parzelle und Jahr auf Hoch- und Niederstamm eingesetzt werden. Die Mittel Affirm, Affirm Profi, Atac und Rapid dürfen mit Auflagen im Hochstammanbau einmal eingesetzt werden. Eine offizielle Zulassung haben die Mittel Affirm, Affirm Profi, Atac und Rapid im Niederstammanbau mit höchstens zwei Behandlungen pro Parzelle und Jahr.

Apfeltriebsucht bei Apfel
Marlis Nölly informierte über die Apfeltriebsucht. Optisch erkennbar ist die Phytoplasmenkrankheit beim Apfel an einem besenartigen Wuchs, das heisst, es findet eine verfrühte Entwicklung der Achselknospen statt. Weitere Symptome sind eine verspätete Blüte, Blüten mit langen Stielen und an der Basis der Blattstiele sind die Nebenblätter häufig vergrössert. Eine Rotverfärbung, das heisst die vorzeitige Herbstverfärbung der Blätter, deutet ebenfalls auf die Krankheit hin. Die Früchte sind kleiner, fad im Geschmack und schlecht gefärbt. In der Akutphase, auch Schockstadium genannt, sind diese Symptome ausgeprägt. In der Latenzphase weisen die kranken Bäume nur sehr schwache bis keine Symptome auf.
2024 traten bei Bäumen vermehrt Symptome auf. Dies ist wenig verwunderlich bei einem so wüchsigen Jahr mit stressigen Phasen. Der Erreger befindet sich in den Wurzeln und steigt in Jahren mit extremem Wuchs und weiteren Stressfaktoren in die Krone hoch. Der Besenwuchs wird durch bestimmte Blattsaugerarten von kranken auf gesunde Bäume übertragen. Eine Übertragung ist auch durch Wurzelverwachsungen möglich. Eine Bekämpfung in den Obstkulturen gibt es nicht. Befallene Hochstämme sind nicht zu roden; dies bestätigt auch eine langjährige Erhebung aus den 1980er-Jahren, wonach sich, wie bereits erwähnt, eine Akutphase durch eine Latenzphase oder umgekehrt ablöst. Bei jungen Mostapfelniederstammanlagen sind befallene Bäume zu roden, bei älteren Anlagen gilt das gleiche Vorgehen wie bei Hochstammbäumen.
Im Anschluss an die Vorträge konnten die Produkte der drei «W»-Sorten sortenrein degustiert werden. Apfelsaft, Cider, Apfelmus und Apfelringe fanden guten Anklang.