Moderne Pflanzenzüchtung: Chancen und Herausforderungen

Molekularbiologe Beat Keller erklärte an einem Vortrag vor Imkern in Berneck, wie Pflanzen durch Züchtung an menschliche Bedürfnisse angepasst werden. Moderne Methoden wie Geneditierung bieten neue Möglichkeiten, sind aber umstritten.

Molekularbiologe Beat Keller sprach an der Versammlung des Imkerverbands zum Thema moderne Pflanzenzüchtung.
Molekularbiologe Beat Keller sprach an der Versammlung des Imkerverbands zum Thema moderne Pflanzenzüchtung.

Anlässlich der Delegiertenversammlung des Imkerverbands St. Gallen-Appenzell in Berneck sprach Professor Beat Keller, Molekularbiologe der Universität Zürich, über moderne Züchtungsmethoden.

Pflanzenzüchtung bedeutet, dass man geeignete Elternpflanzen kreuzt und aus deren Nachkommen die besten Pflanzen auswählt. Es gehe also um Selektion und nicht einfach um Vermehrung, so Beat Keller. «Die Pflanzen werden an die Wünsche des Menschen angepasst.» So möchte man beispielsweise weniger Giftstoffe oder Resistenzen gegen Krankheiten. Züchtung basiert also auf genetischen Unterschieden oder auch Mutationen genannt. Mutationen entstehen aufgrund von Umwelteinflüssen oder durch natürliche Fehler in der Zellteilung. «Diese Fehler haben bisweilen auch positive Auswirkungen», sagt Beat Keller. Am Beispiel von Mais und Kohl zeigt der Molekularbiologe eindrücklich auf, wie in den letzten 8000 bis 10 000 Jahren aus Wildpflanzen durch natürliche Selektion Kulturpflanzen entstanden sind. Die Frage stellt sich, ob die heutigen Nutzpflanzen natürlich sind oder nicht. Denn sie sind durch menschlichen Einfluss entstanden. «Diese Frage möchte ich heute nicht beantworten, dies ist Aufgabe der Gesellschaft», so Beat Keller.

Ernährungssicherheit fördern

«Rein durch Wildpflanzen und -tiere würden in der Schweiz rund 20 000 Menschen ernährt werden können», sagte der Referent. Heute leben mehr Menschen in der Schweiz, die durch die Landwirtschaft ernährt werden müssen. «Dies wurde nur möglich durch den Übergang von der Wild- zur Kulturpflanze.» Dabei ist die Schweiz heute auch auf Importe aus dem Ausland angewiesen.

Vor rund 100 Jahren entstand die moderne Pflanzenzüchtung mit den Hybridpflanzen. Beim Mais konnte so der Ertrag vervielfacht werden. Die moderne Züchtung war allerdings auch schon immer umstritten. So erliess der Liechtensteinische Landtag 1952 ein Gesetz zum Schutz der heimischen Maissorten und verbot den Hybridmais. Das stetige Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum erhöht allerdings den Bedarf nach Nutzpflanzen, nicht zuletzt auch für Bioenergie. Gleichzeitig sinkt aber die Anbaufläche. Wenn in der Schweiz weniger Weizen produziert wird – beispielsweise wegen des Wetters wie letztes Jahr – kann das fehlende Getreide importiert werden. «Die globalen Nahrungsmittelströme sind essenziell», so Beat Keller. «Wir können uns langfristig nicht leisten, dass die Produktivität unseres Pflanzenanbaus abnimmt.» Produktionssteigerungen dürften aber nicht mit noch mehr Dünger oder Pflanzenschutzmitteln erreicht werden. «Das ist nicht nachhaltig», betont er. Ausserdem kommen neue Herausforderungen wie der Klimawandel oder neue Krankheitserreger hinzu. «Wir brauchen also neue Lösungen, und hier kommt die moderne Pflanzenzüchtung ins Spiel.»

Gentechnik vs. Geneditierung

Zu den modernen Methoden gehört die klassische Gentechnik. Beispielsweise kann moderner Weizen mit Genen einer alten, gegen Mehltau resistenten Sorte aus Afghanistan verändert werden. «Die Resultate waren gut, aber der Einsatz in der Landwirtschaft für genetisch veränderte Pflanzen ist in der Schweiz ganz und in Europa praktisch verboten», so Beat Keller. Weltweit werden allerdings auf rund 200 Millionen Hektaren gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut. Nun ist eine neue Züchtungsmethode gefunden worden: die Geneditierung. Sie geht auf die Entdeckung der Chemie-Nobelpreisträgerinnen 2020, Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna, zurück. Sie entdeckten die Genschere Crispr/Cas9. In der Pflanzenzüchtung wird nun versucht, die unerwünschten Gene am entsprechenden Platz der DNA aufzuschneiden. Die Zelle repariert den Schaden und verändert so die Gene einer Pflanze. Diese Veränderung kann gewünschte Resultate bringen, wie beispielsweise ein Verschwinden von Giftstoffen oder Allergenen in Pflanzen. Beat Keller zeigte einige Beispiele auf, wo die Methode erfolgreich angewendet wird. Seien dies Mehltauresistenzen in Reben oder die Senkung des Glutengehalts beim Weizen. Natürlich müssen auch die Risiken berücksichtigt werden. «Geneditierung ist ähnlich wie die Mutationszüchtung, die seit 70 Jahren angewendet wird», sagt Beat Keller. Pflanzen werden dabei mit Chemikalien behandelt oder radioaktiver Strahlung ausgesetzt. Durch Zufall entstehen so neue Genvarianten, die manchmal eben auch zu positiven Veränderungen führen. So sind beispielsweise Pfefferminzsorten, Brotweizen, Gemüsesorten und die Pink Grapefruit entstanden. «Bei Geneditierung ist die Veränderung viel kontrollierter und aus wissenschaftlicher Sicht spricht nichts gegen den Einsatz mittels Geneditierung veränderter Pflanzen», so Beat Keller. Politisch sieht dies aber anders aus. Die Pflanzen werden als gentechnisch verändert eingestuft und sind somit in der Schweiz verboten – im Gegensatz zu Mutationszüchtungen. Das Argument des Bundesrats sei, dass bei Mutationszüchtungen bereits Erfahrung bestehe im Gegensatz zur Geneditierung, so Beat Keller. Das Parlament gab nun aber den Auftrag zu einer Neuausarbeitung des Gentechnikgesetzes.

Aus der Wildform des Kohls (oben) sind durch natürliche Selektion die verschiedenen Kohlsorten (unten) entstanden.
Aus der Wildform des Kohls (oben) sind durch natürliche Selektion die verschiedenen Kohlsorten (unten) entstanden.

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