Ein Hof setzt auf regenerative Landwirtschaft mit Bodenaufbau
Biogemüsegärtner Daniel Knobel bewirtschaftet gemeinsam mit seiner Partnerin Judita Hättenschwiler den Kollektiv-Hof Waldheim im thurgauischen St. Pelagiberg. Dort, wo früher Rinder gezüchtet wurden, wächst heute vielfältiges Gemüse.
Einsatz von Enten zur natürlichen Schneckenbekämpfung.Gemütlich watscheln die Enten über das Gras, doch der Schein trügt: Die drei sind nicht zum Vergnügen hier. Sie sind im Einsatz. Sie sind auf der Suche nach ihrem Lieblingsfutter: den Nacktschnecken. Daniel Knobel ist Biogemüsegärtner und führt gemeinsam mit seiner Partnerin Judita Hättenschwiler den Kollektiv-Hof Waldheim in St. Pelagiberg. Für die beiden ist klar: In der regenerativen Landwirtschaft hat Chemie nichts verloren.
«Ein Kollektiv-Hof wird gemeinschaftlich geführt. Im Team, mit geteilter Verantwortung und gleichberechtigten Entscheidungen. Alle arbeiten auf Augenhöhe zusammen, mit einem gemeinsamen Ziel: nachhaltige, soziale und ökologische Landwirtschaft. Bei uns steht nicht die Gewinnmaximierung im Vordergrund, sondern ein respektvoller Umgang mit Mensch und Natur», erklärt Daniel Knobel. Derzeit bilden Daniel Knobel und Judita Hättenschwiler zusammen mit ihren beiden Kindern, Ida und Jaël, das Hof-Team. Aktuell sind sie auf der Suche nach weiteren motivierten Personen, die das Team ergänzen und den Hofalltag mitgestalten möchten.
Vor sieben Jahren haben Daniel Knobel und Judita Hättenschwiler gemeinsam mit weiteren engagierten Menschen den Landwirtschaftsbetrieb von Juditas Eltern, Emil und Marianne Hättenschwiler, übernommen. Das Ehepaar Hättenschwiler führte einst einen klassischen Landwirtschaftsbetrieb mit Milchwirtschaft, später dann ausschliesslich mit Rinderzucht. Der Hof wurde schon damals biologisch bewirtschaftet. Der Betrieb umfasst 5,5 Hektaren landwirtschaftliche Nutzfläche mit rund 120 Hochstammbäumen (Äpfel, Birnen, Zwetschgen und Kirschen). Hinzu kommen sieben Hektaren Wald, 0,4 Hektaren Gemüsebau sowie eine Hektare Ackerfläche, die gegenwärtig im kleinen Stil mit Soja bepflanzt ist. Zudem werden medizinische Heilpflanzen wie Johanniskraut, Malven, Eibisch und Lindenblüten angebaut.
Eine sinnerfüllte Aufgabe
Daniel Knobel, aufgewachsen im Kanton Zug, ist gelernter Technischer Grafiker. Als 19-Jähriger setzte er sein wachsendes Interesse an gesunder Ernährung in die Praxis um und legte einen Hobbygarten an. Später absolvierte er eine Zweitausbildung zum Gemüsegärtner. «Es ist für mich eine sinnerfüllte Aufgabe, Nahrungsmittel zu produzieren, statt Altpapier», sagt er. Als Grafiker gestaltete er Flyer, Broschüren und Zeitungen, die oft schon bald im Altpapier landeten. Im Jahr 2012 schloss er seine Ausbildung zum Biogemüsegärtner ab. Judita Hättenschwiler ist auf dem Hof Waldheim aufgewachsen. Sie hat sich zur Naturpädagogin weitergebildet – ein Hintergrund, der ihr heute zugutekommt. Auf dem Hof leitet sie die Waldspielgruppe «Wildwuchs». Ziel dieser Arbeit sei es, den Kindern einen Zugang zur Natur zu ermöglichen.

Boden nicht auslaugen
Daniel Knobel und Judita Hättenschwiler setzen auf regenerative Landwirtschaft. Dabei wird der Boden nicht ausgelaugt, sondern gezielt aufgebaut und gestärkt. Im Mittelpunkt stehen gesunde stabile Erträge, statt kurzfristiger Maximalausbeute. «Wenn der Boden gesund ist, sind es auch die Pflanzen und letztlich auch wir Menschen», sagt Daniel Knobel. Auf dem Kollektiv-Hof leben keine Tiere, abgesehen von den drei Enten und zwei Katzen. Einerseits habe er keine Erfahrung mit Nutztieren, andererseits ernähre sich die Familie vegan. Nach wie vor Rinder zu halten, wäre für ihn deshalb ein Widerspruch. «Ich denke, dass ein viehloser Betrieb genauso gut funktionieren kann», sagt er. Der Hof wird nach den Richtlinien von Bio Suisse bewirtschaftet. «Wir legen aber Wert auf eine noch schonendere und nachhaltigere Produktion», sagt der Biogemüsegärtner. Seiner Ansicht nach entferne sich der Bioanbau seit 15 bis 20 Jahren spürbar von seinen ursprünglichen Idealen, nähere sich zunehmend der konventionellen Landwirtschaft an. «Dennoch halten viele Betriebe an den Grundwerten fest», betont er. Seiner Beobachtung nach werden in der Biolandwirtschaft immer mehr Pflanzenschutzmittel zugelassen. Er erklärt das an einem konkreten Beispiel: «Kupfer als Fungizid einzusetzen, ist für mich bedenklich. Eine hohe Anreicherung von Kupfer im Boden kann Bodenorganismen schädigen und damit die Bodenqualität beeinträchtigen. Bei einem spezifischen Mangel hingegen ist eine geringe Dosis für mich vertretbar. Insektizide oder Fungizide haben wir bei uns noch nie eingesetzt.» Ein gesunder Boden sorge für widerstandsfähige Pflanzen, die selten von Schädlingen befallen werden. So seien etwa Blattläuse bislang noch kaum aufgetreten. Daniel Knobel setzt allerdings regelmässig pflanzenstärkende Mittel ein. Dabei handelt es sich um Spritzungen mit Mikronährstoffen sowie selbst hergestellten, förderlichen Mikroorganismen. Ein häufiges Problem im Gemüsebau sei der Kartoffelkäfer. Da auf dem Hof jedoch nur eine kleine Fläche von etwa 70 Quadratmetern mit Kartoffeln bepflanzt ist, werden die Käfer dort von Hand abgesammelt.
Ein weiterer zentraler Aspekt sei die minimale Bodenbearbeitung. Statt tief zu pflügen, wird der Boden möglichst flach und schonend bearbeitet. Das schütze die Bodenstruktur und fördere das Bodenleben. Gleichzeitig spiele eine permanente Bedeckung mit Mulch oder Untersaaten eine wichtige Rolle. Sie erhöhe die Fähigkeit des Bodens, Wasser aufzunehmen und zu speichern. Zudem schütze die Mulchschicht vor direkter Sonneneinstrahlung. «Es ist quasi wie Sonnencrème auf der Haut. Denn 95 Prozent aller Mikroorganismen verträgt keine UV-Strahlung», sagt er. Dies funktioniere zwar nicht bei allen Kulturen, schränkt er ein. «Karotten brauchen zum Beispiel etwa anderthalb Monate einen offenen, unbedeckten Boden, sonst ersticken sie.»

Nachhaltige Landwirtschaft
Daniel Knobel und Judita Hättenschwiler betreiben eine vielfältige und nachhaltige Landwirtschaft mit rund 70 verschiedenen Gemüsesorten. Zu ihren besonderen Spezialitäten zählen seltene und robuste Pflanzen wie Ewiger Kohl und Hirschhornwegerich. Zwischen den Gemüsereihen säen sie gezielt Blumen, die nicht nur das Nektarangebot für bestäubende Insekten wie Bienen steigern, sondern auch nützliche Insekten anlocken, die zur natürlichen Schädlingsbekämpfung beitragen. Auch strukturreiche Lebensräume kommen nicht zu kurz. In Asthaufen finden Wiesel Unterschlupf und tragen als natürliche Mäusejäger zum ökologischen Gleichgewicht bei. Der Kollektiv-Hof Waldheim betreibt eine Solidarische Landwirtschaft (Solawi). Dieses Modell der Lebensmittelproduktion bringt Landwirte mit Konsumenten in einer festen Gemeinschaft zusammen. Die Mitglieder, meist Privatpersonen, zahlen einen jährlichen Beitrag und erhalten im Gegenzug regelmässig frische, saisonale Produkte direkt vom Hof. «Unsere Kunden verpflichten sich, ein Jahr lang Gemüse von uns abzunehmen. Momentan beliefern wir zwischen 30 und 50 Privathaushalte, ein Restaurant sowie einen Marktfahrer.» Im Zentrum steht das Prinzip der geteilten Verantwortung. Ernte und Risiko werden gemeinsam getragen. «In guten Jahren gibt es für den Konsumenten mehr, in schlechten weniger», erklärt Daniel Knobel.

Das Herzstück
Der Kollektiv-Hof Waldheim bildet das Herzstück seines beruflichen Wirkens. Darüber hinaus ist der 39-jährige Biogärtner als selbstständiger Berater und Lehrperson für regenerativen Gemüsebau tätig. Sein Kopf ist voller Ideen. Obwohl er das Anbausystem bis ins Detail versteht, bleibt sein Antrieb ungebrochen. Er will es weiterentwickeln, den Boden noch nachhaltiger bewirtschaften und die Erträge gezielt verbessern. Ihm sei bewusst, dass ein kleiner Hof wie Waldheim allein kaum grosse Veränderungen bewirken könne. «Doch die Bewegung soll wachsen und möglichst viele Menschen erreichen», sagt er.