Tobias Torris Leidenschaft gilt robusten alten Obstsorten
450 Hochstammobstbäume bewirtschaftet Tobias Torri auf seinem Hof Weidli in Lütisburg. Aber nicht nur die: Der leidenschaftliche Obstsortenfan besitzt auch eine Baumschule mit rund 280 Pflanzenvariationen in Nieder-/Hochstamm- und Wildobstform. Er nennt sie sein «fruchtiges Paradies».

Die jungen Bäumchen stehen dicht an dicht in langen Reihen, aufgebunden an weissen Stangen. Sie wurden letzten Winter veredelt und diesen Frühling gepflanzt. Nun sind sie 30 bis 40 Zentimeter hoch. Dieser Bereich der Biobaumschule von Tobias Torri und seiner Lebenspartnerin Christin Gantner ist sozusagen der Kindergarten. Hier bleiben die neuen Obstbäumchen, bis sie in drei Jahren gross genug für den Verkauf sind.
Während Tobias Torri durch seine Baumschule geht und von seiner Arbeit erzählt, wirft er prüfende Blicke auf seine belaubten Schützlinge, hält Ausschau nach Schädlingen und freut sich über Nützlinge. «Ungefähr ein Drittel meines Landes ist Biodiversitätsförderfläche. Dort leben Grillen, Schmetterlinge und viele andere Insekten. Zudem sehen wir häufig Spechte, Eulen, Greifvögel und sogar Eisvögel. Auf unserem Betrieb haben wir ein gutes Gleichgewicht von Schädlingen und Nützlingen», sagt der Biobauer.
Dieses Gleichgewicht fördert er auf unterschiedliche Weise: mit Waldweiden, abgestuften Waldrändern, gelichtetem Mischwald und Heckenzügen sowie extensiven Wiesen und Weiden, die im steilen Gelände angelegt sind. Hier lässt er auch einzelne Sträucher wachsen und platziert in Mulden Steinhaufen. Zudem befinden sich dort Wildkräuter und Brennnesseln. Auch zahlreiche Nistkästen hängen in seinem Obstgarten. Wobei «Garten» der Anlage nicht wirklich gerecht wird, denn Tobias Torri besitzt rund 450 Hochstammobstbäume mit gut 400 Sorten von Äpfeln, Birnen, Pflaumen, Kirschen und Zwetschgen. Die meisten Bäume sind rund zehn bis 15 Jahre alt. Die Früchte erntet er zusammen mit seiner Partnerin, ein Teil «gehört» jedoch Baumpaten, die ihr Obst selber ernten. «In Zukunft erwarten wir grössere Erträge von unseren Bäumen und wollen das Obst dann auf dem Betrieb verarbeiten», sagt der Landwirt. Aus diesem Grund errichtete er kürzlich hinter dem Wohnhaus einen Neubau, in dem Platz ist für einen Kühl- und Lagerraum sowie für eine Küche, in der sich das Obst verarbeiten lässt.

Von Obst begeistert
Immer wieder spricht Tobias Torri vom Obst, sei es in Zusammenhang mit der Baumschule oder mit seinen eigenen Obstbäumen. «Der Hof ist für meine Partnerin, unsere drei Kinder und mich ein fruchtiges Paradies», sagt er mit einem Schmunzeln. «Meine Leidenschaft gehört der Obstanlage. Diese ist zudem ein Arboretum für Pro Specie Rara. Das bedeutet, dass ich eine Liste mit allen Sorten führe.» Die Fürsorge für alte Sorten hat sich auch schon ausserhalb seines Biobetriebs gezeigt. Tobias Torri arbeitete zwei Jahre für die Sortenerhaltung von Pro Specie Rara und war rund ein Jahr lang für das Schweizer Obstinventar des Bundes tätig. Damals begann er, sich vertieft für Sorten zu interessieren. «So fing ich auch mit der Aufzucht eigener Obstbäume im Garten meiner damaligen Mietwohnung an. Ich bin fasziniert von Sorten, die kaum jemand kennt und die doch schmackhaft und robust sind.» Heute sind Pflaumen und Zwetschgen sein Steckenpferd. Für diese Früchte ist er Sortenbestimmer bei Pro Specie Rara. «Ab und zu entdecke ich dabei eine besonders gute, unbekannte Sorte.»
Freude an Pflanzen
Als der 48-Jährige 2009 den Hof Weidli von seinen Eltern übernommen hatte, sah es dort noch etwas anders aus. Die Eltern Torri, die den etwas abgelegenen Hof bei Lütisburg 1975 gegründet hatten, hielten Mutterkühe und boten Agrotourismus an. Sohn Tobias lernte als Erstberuf Zimmermann und liebte die Arbeit mit Holz. Als er mit einer Stauballergie zu kämpfen hatte, musste er diesen handwerklichen Beruf aufgeben. «Aber ich bin mit dem Wissen aufgewachsen, dass ich eines Tages den Betrieb übernehmen werde», sagt er. Für ihn war die Hofübernahme ein guter Schritt. Allerdings merkte er nach kurzer Zeit, dass er mehr Freude an Pflanzen hat als an Tieren und verkaufte seine Angus-Kühe. Dann entstand auf dem Hof Weidli seine Biobaumschule, die heute weit über die Ostschweiz bei Privaten und Landwirten bekannt ist. Das Sortiment umfasst gut 280 Pflanzenvariationen in Nieder-/Hochstamm- und Wildobstform; es sind ausschliesslich robuste und kräftige Sorten, die gut in die voralpine Zone passen.

Vieles selber gelernt
Sein Wissen eignete sich Tobias Torri nach und nach an. Ein erstes Grundwissen wurde während der Ausbildung zum Landwirt vermittelt, später tauschte er sich mit Kollegen in Baumschulen aus. Denn als er den Weidlihof 2009 übernommen hatte, zog er vorerst für andere Baumschulen Obstbäume auf, bevor er seine eigene Baumschule gründete. «Ich habe laufend dazugelernt und mich selber schlau gemacht», sagt Tobias Torri. Die Arbeit in der Baumschule fordert ihn vor allem im Frühling und Herbst mit Schneiden, Hochbinden, Umpflanzen und natürlich auch mit regelmässigem Jäten. Die Niederstammbäume bleiben zwei bis drei Jahre auf dem Hof, die Hochstammbäume zwei bis fünf Jahre. Von Anfang November bis Ende März, also ausserhalb der Vegetationszeit, werden die jungen Bäume als Nacktwurzler verkauft – wegen der raren, robusten Sorten zum Teil auch ins angrenzende Ausland, denn die Biobaumschule sei Pflanzenpass-zertifiziert, wie Tobias Torri betont.
Damit die Arbeit auf dem Betrieb auch in Spitzenzeiten gemeistert werden kann, sind Tobias Torri und Christin Gantner froh um Unterstützung. Zum einen hilft Christin Gantners Mutter ab und zu im Haushalt, zum anderen verbringen immer wieder Praktikanten eine gewisse Zeit auf dem Hof. Der Weidlihof ist Mitglied von WWOOF (World-Wide Opportunities on Organic Farms), einem Netzwerk, das Aufenthalte von freiwilligen Helferinnen und Helfern auf Biobetrieben vermittelt. «Kürzlich war jemand aus Frankreich bei uns, dann kamen Personen aus der Schweiz und halfen mit», sagt Tobias Torri.

Vierbeinige Rasenmäher
Ganz ohne Tiere gehts übrigens auf dem teils steilen Land in der Bergzone 1 doch nicht: Zum Zehn-Hektaren-Betrieb (LN plus Wald) gehört auch eine rund 30-köpfige Herde Engadiner Mutterschafe. Die Rasse ist, wie Tobias Torris Obstsorten, sehr robust und sie passt zum Weidlihof. «Die Schafe sind gute Rasenmäher und nutzen unser Grünfutter. Sie profitieren zudem von den Brennnesseln, wie ich gemerkt habe. Wenn ich die Nesseln mähe und trocknen lasse, werden sie von den Schafen nämlich gefressen und sind ein ideales Entwurmungsmittel», sagt ihr Besitzer. Die Engadiner haben noch einen weiteren Nutzen: «Sie zerstampfen die Mausgänge – auf unserem Land ein enorm wertvoller Dienst, denn Mausen ist bei uns ein Thema.» Die Lämmer verwendet er als Fleisch oder für die Zucht. Das Blöcken der Schafe ist gut zu hören, als Tobias Torri durch die Reihen von vierjährigen Obstbäumen geht und mit der Schlaufenzange routiniert Bäumchen um Bäumchen an der weissen Stange hochbindet. Dabei sieht er auch Lieblingssorten wie Sommerzitrone, Winterzitrone, Fiessers Erstling, Berner Rosen, Wehntaler Hagapfel, Fraurotacher oder Spartan. «Äpfel, die fruchtig und süss-säuerlich schmecken», erklärt der Obstprofi. «Sie sind knackig und saftig, genau so, wie ich sie bevorzuge.» Denn Tobias Torri ist nicht nur begeistert von seinen zahlreichen Obstbäumen, sondern freut sich heute schon auf die vielfältige Ernte und den Genuss im Spätsommer und Herbst.

Lebensraum Landwirtschaft
Biodiversität bildet die Grundlage für das Leben. Sie ist wichtig für die Landwirtschaft. Eine intakte Biodiversität erbringt wichtige Ökosystemleistungen, wie zum Beispiel die Bestäubung oder die natürliche Schädlingsregulierung. In dieser Serie wird aufgezeigt, was die Bäuerinnen und Bauern für die Biodiversität tun und wie sie diese unterstützen. red.