SchuB wird 40: Stallduft zum Mitnehmen
Das Projekt Schule auf dem Bauernhof «SchuB» wird 40 Jahre alt. Seit über 20 Jahren mit dabei: Familie Messmer aus Thal. Antonia Messmer öffnet mit ihrer Familie mit grossem Engagement den Hof für Schulklassen und scheut dabei keinen Aufwand.

Schule auf dem Bauernhof «SchuB» steht und fällt mit den Menschen, die dahinterstehen. Zum einen die Bauernfamilien, zum anderen die Schulklassen. Nebst landwirtschaftlichen Betrieben müssen also Lehrerinnen, Lehrer oder Schulleitungen gewonnen werden, damit auch in Zukunft möglichst viele Kinder die Landwirtschaft mit Kopf, Herz und Hand erleben können. Im Interview erzählt sie von ihrem Outdoor-Klassenzimmer.
Seit 22 Jahren bieten Sie das Outdoor-Klassenzimmer auf dem Bauernhof an. Macht die Arbeit mit den Kindern immer noch Spass?
Antonia Messmer: Auf jeden Fall, sonst würden wir es nicht so lange machen. Wir, das ist meine ganze Familie. Da müssen alle mitziehen. Denn je nach Klassengrösse laufen mehrere Programmpunkte parallel ab. Als Betrieb bekommen wir von den Schulen eine Entschädigung. Der grösste Lohn aber ist das Strahlen der Kindergesichter. Das ist ein riesiger Aufsteller.
Wie viele Schulklassen kommen pro Jahr zu euch auf den Hof?
Messmer: So etwa 30 Klassen pro Jahr, vom Kindergarten bis zur 6. Klasse. Im Durchschnitt also alle zwei Wochen eine Klasse. Es gibt Schulen, die kommen Jahr für Jahr und ich muss sagen, ich habe grossen Respekt vor Lehrerinnen und Lehrern, die den Mehraufwand nicht scheuen, um den Kindern unvergessliche Erlebnisse auf dem Bauernhof zu ermöglichen.
Ist Ihnen eine besonders schöne Geschichte geblieben?
Messmer: Eine Deutschlehrerin kam einmal mit zwei Schülern vorbei, die frisch in der Schweiz waren und noch fast kein Deutsch sprachen. Sie hatten grossen Spass am Umgang mit den Tieren und vergassen schon bald ihre Scheu. Später kamen sie nochmals, zusammen mit der ganzen Schulklasse. Sie wussten ja bereits, wie das bei uns so abläuft und waren unheimlich stolz, dass sie den anderen Kindern etwas voraushatten. Das gab ihnen viel Selbstsicherheit und Selbstvertrauen.
Gibt es auch unangenehme Erlebnisse?
Messmer: Das nicht gerade, aber die Tage, an denen Schülerinnen und Schüler aus Sonderschulen oder Behinderten-Institutionen zu uns kommen, sind intensiv. Wir finden es aber wichtig, solchen Kindern die gleiche Möglichkeit zu bieten. Sie brauchen halt viel mehr Zeit und Betreuung. Und Regeln. Aber das gilt bei allen Klassen. Bei uns herrschen klare Regeln, da nehmen wir auch die Lehrer in die Verantwortung. Wir möchten nicht, dass Unfälle passieren.
Hat sich das Verhalten der Kinder oder Lehrerpersonen in den 22 Jahren verändert?
Messmer: Ja, ich habe das Gefühl, schon. Früher hatten viele Kinder durch Grosseltern oder Verwandte einen Bezug zur Landwirtschaft. Das hat sich stark geändert. Eine Lehrerin sagte kürzlich zu mir: «Die hend no nie e Chue vo Nöchem gseh.»
Haben Sie das Gefühl, dass diese Aufklärungsarbeit des Projekts wichtig ist fürs Verständnis und die Wertschätzung der Landwirtschaft?
Messmer: Ich hoffe es. Wir sehen diese «SchuB»-Tage auch als Öffentlichkeitsarbeit. Zusätzlich machen wir jedes Jahr beim regionalen Ferienpass mit. Da gibt es Kinder, die kamen sechs Jahre hintereinander zu uns. Unglaublich. Auch Kindergeburtstage wurden schon bei uns gefeiert. Egal, wie und warum Kinder zu uns kommen, ich finde es wichtig, dass sie die Kreisläufe und Zusammenhänge der Nahrungskette kennenlernen.
Wie läuft so ein «SchuB»-Tag bei Ihnen ab?
Messmer: Wir richten uns individuell nach den Bedürfnissen der Lehrer und passen das Programm dem Thema an, das im Unterricht durchgenommen wird. In ein paar Tagen kommt zum Beispiel eine Schulklasse zu uns, bei der sich alles ums Thema Huhn dreht. Andere Themen sind Landwirtschaft, Apfelernte oder Tiere im Allgemeinen.
Was fasziniert die Kinder am meisten?
Messmer: Hühner. Sie stellen fest, dass man diese ja halten kann. Und sonst faszinieren die Kinder vor allem kleine Tiere wie junge Kätzchen oder Hasen.
Wie viel Zeit verbringen die Kinder auf dem Bauernhof?
Messmer: Wie die Themen variiert auch die Zeit, die sie bei uns verbringen. Oft bleiben die Klassen für einen Tag. Bei Kindern aus Sonderschulen oder solchen mit Beeinträchtigungen genügt ein halber Tag. Und manchmal übernachten die Schülerinnen und Schüler sogar bei uns. Dann gibt es zum Frühstück selbstgemachte Butter und Joghurt.
Das ganze Jahr?
Messmer: Ja, die Klassen kommen das ganze Jahr hindurch zu uns. Letztes Jahr kam eine Klasse sogar in der Weihnachtszeit. Ihr Lehrer beobachtete uns am Sterntag beim Eselreiten und hatte die Idee, mit seinen Schülern die Weihnachtsgeschichte im Beisein unserer Esel zu erzählen. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt und wir sind da absolut flexibel und probieren gerne Neues aus.
Wird auch gekocht?
Messmer: Das kommt auf das Alter der Kinder an. Kindergärtler vielleicht noch nicht, aber mit Primarschülern ist das eine gute Gelegenheit, um einen direkten Bezug vom Tier zu den Nahrungsmitteln herzustellen. Beim Thema Huhn gibt es (Spiegel)eier, die sie im Hühnerstall holen. Oder wir machen Parfait zum Dessert mit Rahm von der gemolkenen Milch. Frische Milch gibt es zum Znüni, und wenn die Kinder bei der Apfelernte und beim Obsten mithelfen, trinken wir Süssmost und stellen Öpfelringli her.
40 Jahre Schule auf dem Bauernhof (SchuB)
Seit vier Jahrzehnten ermöglicht Schule auf dem Bauernhof (SchuB) Schulklassen aus der ganzen Schweiz einen besonderen Einblick in die Landwirtschaft. Unter dem Motto «Entdecken, erleben, lernen» besuchen jährlich rund 60 000 Kinder und Jugendliche einen Bauernhof als ausserschulischen Lernort. «SchuB» ist weit mehr als eine Hofführung: Es geht darum, Zusammenhänge zu verstehen, Kreisläufe zu erkennen und Wissen mit echten Erfahrungen zu verknüpfen. Rund 400 Höfe in der Schweiz engagieren sich für «SchuB» und geben ihre Begeisterung für die Arbeit mit der Natur weiter. Die Bäuerinnen und Bauern leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Bildung und bauen Brücken zwischen Stadt und Land. Der St. Galler Bauernverband sucht weitere engagierte «SchuB»-Anbieter. Kontakt und Info bei Corine Halter, corine.halter@bauern-sg.ch oder 071 394 20 13.