Freelancer in der Landwirtschaft – Vorsicht vor Scheinselbstständigkeit
Arbeiten, wann und wo man möchte, sein eigener Chef oder seine eigene Chefin sein, das hört sich im ersten Moment vielversprechend an. Doch die selbstständige Erwerbstätigkeit hat viele Risiken, vor allem bei freien Mitarbeitenden, sogenannten Freelancern.
Sich selbst zu vermieten und in verschiedenen Betrieben zu arbeiten, ohne wirklich angestellt zu sein, bedeutet, dass die Person faktisch selbstständig erwerbend ist. Im Alltag ist häufig von Freelancern die Rede. Dies kann zum Beispiel ein Landwirt sein, der nebenbei in einem Gartenbauunternehmen mitarbeitet. Der Landwirt ist faktisch ein Angestellter, erhält aber statt eines Lohns eine Entschädigung für die geleisteten Arbeitsstunden. Der «Arbeitgeber» rechnet dabei keine Sozialversicherungsbeiträge ab, für diese ist der Landwirt selbst verantwortlich.
Selbstständig, unselbstständig
Die Unterscheidung zwischen unselbstständigem und selbstständigem Erwerb ist wichtig. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) definiert die selbstständige Erwerbstätigkeit wie folgt:
– Tätigsein für mehrere Auftraggeber
– Freies Bestimmen von Art und Weise der Arbeitserbringung; keinen Weisungen unterworfen
– Tragen der Unkosten und des Verlustrisikos
– Tätigen von erheblichen Investitionen
– Handeln unter eigenem Namen auf eigene Rechnung
– Verfügen über eigene Geschäftsräume
– Gleichstellung gegenüber der Person, die den Auftrag erteilt hat
– Beschäftigen von Personal
– Selbstständiges Festlegen der Arbeitszeiten
Wer nicht unter diese Definition fällt, ist unselbstständig erwerbend und somit angestellt.
Beim Beispiel mit dem Landwirt, der im Gartenbauunternehmen arbeitet, werden unter anderem folgende Kriterien nicht erfüllt: nur ein Auftraggeber, Unterordnungsverhältnis/Weisung muss befolgt werden, das Verlustrisiko trägt das Gartenbauunternehmen. Der Landwirt darf sich daher nicht an das Gartenbauunternehmen vermieten.
Kosten selbst tragen
Verunfallt der Landwirt während der Arbeit im Gartenbauunternehmen, stellt sich die Frage, wer die Folgekosten trägt. Die Versicherung des Auftraggebers wird keine Leistungen übernehmen, da kein Anstellungsverhältnis besteht, und die Versicherung des Landwirts kann die Übernahme der Kosten verweigern, da der Landwirt faktisch angestellt war. Unter Umständen trägt der Landwirt also sämtliche Kosten für die Behandlung selbst. Gravierende Folgen kann eine Invalidität haben. Sofern der Landwirt nicht mehr erwerbsfähig ist, steht ihm nur die Rente aus der obligatorischen Invalidenversicherung (IV) zu. Würde ein ordentliches Arbeitsverhältnis bestehen, übernähme die Unfallversicherung des Arbeitgebers die Behandlungskosten. Während zwei Jahren würde ein Taggeld ausbezahlt und anschliessend erfolgt die Auszahlung der IV-Rente aus der Pensionskasse.
Wird vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf die Abrechnung von AHV-Beiträgen, Unfallversicherung oder Pensionskasse verzichtet, ist der Tatbestand der Schwarzarbeit erfüllt. Wird Schwarzarbeit aufgedeckt, werden hohe Bussen ausgestellt.
Hoher administrativer Aufwand
Nebst den finanziellen Risiken bringt die Arbeit als Freelancer auch administrativen Aufwand mit sich. Es muss eine lückenlose Aufzeichnung zu den Einnahmen und Ausgaben geführt werden. Ab einem Jahresumsatz von 500 000 ist man verpflichtet, eine ordentliche Buchhaltung mit Bilanz, Erfolgsrechnung und Inventar zu führen.
Bereits ab einem Jahresumsatz von 100 000 Franken muss Mehrwertsteuer abgerechnet werden, sofern die erbrachten Leistungen nicht von der MWST ausgenommen sind. Ab einem Umsatz von 100 000 Franken wird auch die Eintragung ins Handelsregister Pflicht.
Eigene AG oder GmbH
Was tun, wenn man sein eigener Chef sein möchte und sich selbst vermietet? Eine Lösung ist die Gründung einer AG oder GmbH. Für juristische Personen, wie es diese beiden Gesellschaften sind, kann der Versicherungsschutz gewährleistet werden. Im Beispiel wäre es möglich, dass der Landwirt seinen eigenen Betrieb weiter als Einzelunternehmen betreibt, seine Arbeiten im Gartenbau aber über die AG oder GmbH abrechnet. Als Angestellter seiner eigenen AG oder GmbH ist er damit gegen die Risiken bei Unfall, Krankheit, Invalidität oder Tod abgesichert. Aus finanzieller Sicht ist die eigene AG oder GmbH oftmals nachteilig, wenn diese nur für einen Nebenbetrieb errichtet wird. Die Doppelbesteuerung des Einkommens, der administrative Aufwand und die alleinige Tragung der Sozialversicherungen sind Nachteile gegenüber einem Angestelltenverhältnis. In der Preiskalkulation für die erbrachten Dienstleistungen müssen diese Faktoren unbedingt eingerechnet werden.
Nach einer sorgfältigen Abwägung bleibt die häufigste Empfehlung: Für (Teilzeit-)Arbeiten bei fremden Betrieben soll eine korrekte Lohnabrechnung im Anstellungsverhältnis angestrebt werden.
Agreno Treuhand AG, Gossau