Revidiertes Jagdrecht – was ändert?

Am 1. Februar 2025 hat der Bundesrat das revidierte Jagdrecht in Kraft gesetzt. Was bedeutet dies für den Umgang mit dem Wolf?

Ein Wildhüter begutachtet ein vom Wolf gerissenes Schaf auf der Alp Valtüsch im Weisstannental. Bild: zVg.

Grundsätzlich gibt es zwei Begründungen für einen Abschuss eines Wolfes oder mehrerer Wölfe: a) aufgrund eines Schadens an gerissenen geschützten Nutztieren und b) aufgrund einer Gefährdung des Menschen. Diese Gründe können entweder schon eingetroffen sein (reaktive Regulation) oder sollen in Zukunft verhindert werden (proaktive Regulation). Je nach Situation und Jahreszeit haben die Kantone unterschiedliche rechtliche Möglichkeiten. In allen Fällen ist eine sauber dokumentierte Faktenlage Voraussetzung, damit die Behörde eine Abschussverfügung erlassen kann. Hier ist eine gute fachliche Zusammenarbeit zwischen der Landwirtschaft, der Jagd und der Behörde von grosser Bedeutung.

Reaktive Abschüsse

Der Kanton kann weiterhin Einzelwölfe zum Abschuss freigeben, wenn sie die Schadenschwelle erreicht haben. Bei Einzelwölfen liegt diese bei sechs gerissenen Schafen oder Ziegen während vier Monaten oder bei einem getöteten oder schwer verletzten grossen Nutztier (Rinder- oder Pferdegattung oder Neuweltkameliden).

Bei einem Wolfsrudel liegt die Schadenschwelle bei acht gerissenen Schafen oder Ziegen oder einem getöteten oder schwer verletzten grossen Nutztier während der Sömmerungsperiode. Für eine Abschussbewilligung muss der Kanton vorgängig die Zustimmung des Bundes einholen. Dabei dürfen bis zu zwei Drittel der diesjährigen Jungwölfe erlegt werden. Ausnahmsweise kann, mit Ausnahme des Muttertiers, auch ein anderes Tier des Rudels erlegt werden, wenn dieses ein unerwünschtes Verhalten zeigt.

Ein unerwünschtes Verhalten liegt vor, wenn ein Wolf wiederholt korrekt umgesetzte Herdenschutzmassnahmen durchbricht und dann Nutztiere tötet, wiederholt Tiere der Rinder- oder Pferdegattung angreift und diese dabei tötet oder schwer verletzt, Nutztiere auf einem Hofareal in Ställen oder in einem Laufhof reisst, oder sich aus eigenem Antrieb und regelmässig innerhalb oder in unmittelbarer Nähe von Siedlungen aufhält und dabei Menschen gegenüber zu wenig Scheu zeigt.

Ein Schaden wird für einen Abschuss nur angerechnet, wenn die Nutztiere mittels fachgerecht umgesetzter, zumutbarer Schutzmassnahmen geschützt waren.

Gefährdung des Menschen

Gelockert wurden die Möglichkeiten der Kantone, nicht einem Rudel angehörige Einzelwölfe zum Abschuss freizugeben, wenn sie eine Gefährdung des Menschen darstellen. Eine Gefährdung von Menschen liegt insbesondere vor, wenn ein Wolf sich aus eigenem Antrieb und regelmässig innerhalb oder in unmittelbarer Nähe von Siedlungen aufhält und dabei Menschen gegenüber zu wenig Scheu zeigt. Bei Wölfen aus einem Rudel benötigt es eine schwere und unmittelbar drohende Gefährdung.

Proaktive Rudelregulation

Um zukünftige Schäden an geschützten Nutztieren oder eine Gefährdung an Menschen zu verhindern, können die Kantone mit Einwilligung des Bundes vom 1. September bis am 31. Januar Rudel auch «proaktiv» regulieren. Je nach Anzahl Rudel im Grossraubtierkompartiment und Verhalten des Rudels (unauffällig bis unerwünscht) bestehen unterschiedlich starke Eingriffsmöglichkeiten.

Nicht schützbare Flächen

Risse auf nicht zumutbar schützbaren Flächen werden nur beim ersten Übergriff entschädigt und für einen Abschuss angerechnet. Voraussetzung ist, dass nach dem ersten Riss Notfallmassnahmen getroffen werden. Als Notfallmassnahme gilt in der Regel das Überführen der Nutztiere in eine schützbare Weidefläche oder die Notmassnahme, die im einzelbetrieblichem Herdenschutzkonzept definiert ist.

Die Notwendigkeit für Notfallmassnahmen ergibt sich aus der allgemeinen Obhutspflicht von Nutztierhaltenden, wonach diese ihre Nutztiere vor Verletzung durch vorhersehbare Gefahr schützen müssen (Tierschutzgesetz).

Kaum Selbsthilfemassnahmen

Früher durften Selbsthilfemassnahmen gegen gewisse Tierarten (vor allem Füchse und Krähen) ergriffen werden, um Schäden an Haus- und Nutztieren oder Gebäuden zu verhindern. Da das Töten von Wildtieren nur fachkundigen Personen erlaubt ist, beschränken sich neu die Selbsthilfemassnahmen für Personen ohne Jagdfähigkeit auf das Einfangen von schadenstiftenden Wildtieren (z. B. Fuchsfalle). Die Tötung muss durch eine fachkundige Person (z. B. Jäger) erfolgen. Wie bis anhin muss vor der Umsetzung der Selbsthilfemassnahmen die zuständige Jagdgesellschaft informiert werden. Selbsthilfemassnahmen sind in der Schonzeit nur mit der Einwilligung des zuständigen Wildhüters erlaubt.

Keine Entschädigung

Neu können durch den Wolf gerissene Nutztiere in ungeschützten Situationen nicht mehr entschädigt werden. Als Herdenschutzmassnahmen bei Schafen und Ziegen gelten genügend ausgebildete Herdenschutzhunde und/oder ein korrekter Elektrozaun. Auch nicht vergütet oder für Abschüsse angerechnet werden Nutztiere, die nicht mehr gefunden werden, wenn die Todesursache nicht mit einem Wolfsübergriff verknüpft werden kann oder sie nicht in der Tierverkehrsdatenbank registriert sind. pd.

*Amt für Natur, Jagd und Fischerei St. Gallen

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