Ein Stück Vorarlberg in Schweizer Hand

Urs Böniger verbringt zusammen mit seiner Partnerin Miriam Konrad den 4. Alpsommer auf der Alpe Satteins im Klostertal in Österreich. Nach einem wettertechnisch tristen Start, hofft er nun auf zahlreiche schöne Sommertage.

Urs Böniger und Miriam Konrad verbringen den Sommer auf der Alpe Satteins.
Urs Böniger und Miriam Konrad verbringen den Sommer auf der Alpe Satteins.

Abrupt endet die steil ansteigende Forststrasse mitten im Wald. Der hier stationierte Quad lässt bereits vermuten, dass ein Weiterkommen einzig zu Fuss möglich ist. Nach einem sanften Anstieg durch den herrlich schattigen Nadelwald erreicht man die auf 1714 Meter über Meer gelegene Alpe Satteins. Hier lässt sich bereits die Herkunft des Älplers erahnen. Vor der Alphütte wehen nämlich gleichberechtigt die Österreicher- sowie die Schweizerfahne.

Aus der idyllisch gelegenen Alphütte kommend, begrüssen fünf strahlende Gesichter freudig den Besuch. Diese gehören einerseits Urs Böniger mit seinen drei Kindern Janick, Alina und Annika sowie seiner Partnerin Miriam Konrad. Ein herrlicher Anblick sind auch die mit Fell überzogenen Holzzoggeli, die auf der Alpe Satteins als Hausschuhe dienen. Allesamt gekleidet mit den extra angefertigten roten Gilets zelebrieren sie Zusammengehörigkeit und ergeben ein stimmiges Bild.

Miriam Konrad ist die Pächterin der Alp, die im Besitz der Gemeinde Satteins ist. Die Alp umfasst insgesamt 344 Hektaren, wovon 60 Hektaren reine Futterflächen sind. Bereits der Vater von Miriam Konrad hatte diese zuvor 15 Jahre gepachtet. Ihr langjähriger Partner Urs Böniger ist als Hirte angestellt und somit verantwortlich für die 58 Mutterkühe, 34 Pferde und Esel sowie für die Ziegen. Die Alpzeit dauert im Normalfall von Mitte Juni bis Mitte September. Eine Spezialität der Alpabfahrt ist sicher, dass am Schluss alle Pferde noch mitlaufen – allen voran das Älplerpaar in ihren jeweiligen Trachten. Letztes Jahr hatte die Gemeinde ihnen zu Ehren sogar ein Fest organisiert, das dann von Schaulustigen überrannt wurde.

Jede Tiergattung hat Vorzüge

«Natürlich erhalten die Kühe das beste Futter; die Pferde eignen sich aber hervorragend, um die Weiden nachzusäubern», erklärt Urs Böniger. Nun geht es rund eine halbe Stunde hoch zur Mutterkuhherde. Die Kühe haben sich an diesem heissen Julitag zu einem Rudel versammelt, um den lästigen Insekten möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. Noch sind sie aber weit oben und scheinen die Aussicht zu geniessen.

Nach ein paar Lockrufen des 34-Jährigen kommt Bewegung in die Herde und die zum Teil wuchtigen Tiere begeben sich talwärts. Es ist ein herrliches Bild, wie sich jedes Tier den vermeintlich kürzesten Weg über die «Wegbördli» und den von Alpenrosen durchwachsenen Hang sucht.

Die Tiere lecken das auf den Steinen verteilte Salz weg.
Die Tiere lecken das auf den Steinen verteilte Salz weg.

Vertrauen der Tiere ist wichtig

Das auf den Steinen verteilte Salz wird gierig weggeschleckt und die Tiere lassen sich gerne von ihrem Chef kraulen. Der gebürtige Wattwiler erzählt, dass er nirgends auf seiner 60 Hektaren grossen Alp Brunnen stellen muss, sondern das Vieh überall aus den zahlreich vorhandenen Bächen trinken kann. Nachdem er alle Tiere gesichtet und viele von ihnen «getätschelt» hat, wird der Kontrollrundgang fortgesetzt.

Hier im «Täli», die am weitesten von der Hütte entfernten Weide, steht eine notdürftige Schutzhütte. «Die Murmeltiere fressen mir alles an», murmelt der Älpler vor sich hin, und somit muss wohl überlegt sein, was wirklich in der Hütte deponiert werden darf.

Später bei der gemischten Pferde- und Eselherde beweist der gelernte Maurer sein Händchen für Tiere, denn auch die Equiden sind sehr zutraulich und holen sich ihre Streicheleinheiten ab.

Faszination Ziegen

Sohn Janick liebt vor allem die Ziegen. Er möchte sich auch zu Hause einige anschaffen. Er erklärt, dass er zu Beginn je zwei Toggenburger- und Tauernscheckenziegen halten möchte. «Und mit derjenigen Rasse, mit der ich erfolgreicher bin, züchte ich dann weiter», erklärt der Zwölfjährige diplomatisch.

Bis die Ziegen die Gruppe entdeckt haben, widmen sie sich ihrer eigentlichen Aufgabe auf der Alp: nämlich, der Verbuschung im gezielt eingezäunten Gebiet entgegenzuwirken. Vater und Sohn haben in einen hölzernen Trog ein wenig Kraftfutter gegeben, dann ertönt ein Pfiff des Hirten und die Ziegen kommen sich ihre «Goodies» im gestreckten Galopp abholen. Sämtliche Tiere gehören der Rasse der Tauernscheckenziegen an, die den Namen übrigens ihrem Zuchtursprung im Raum der Hohen Tauern (Osttirol) zu verdanken haben. Diese braun-weiss-schwarz gefärbte, robuste und trittsichere Tauernscheckenziege ist eine österreichische Gebirgsrasse.

Auch um die Pferde auf der Alp kümmert sich Urs Böniger.
Auch um die Pferde auf der Alp kümmert sich Urs Böniger.

Von der Schweiz ins Vorarlberg

Als Kind verbrachte Urs Böniger viel Zeit auf der Alp Schindelberg. Dass er ein leidenschaftlicher Älpler geworden ist, hat er den vielen Sommern, die er bei Frida und Paul Länzlinger verbracht hat, zu verdanken. Nach der Lehre arbeitete er als Maurer und Kranführer. Im Jahre 2015 kam er zusammen mit seiner damaligen Frau ins Dorf Klösterle, das direkt am Fusse des weltbekannten Arlbergs liegt. Der Arlberg, als grösstes Skigebiet Österreichs, bietet Urs Böniger auch seinen Winterjob beim örtlichen Abschleppdienst. Er fungiert oftmals als Retter in der Not – sei es bei einer leeren Batterie, einem steckengebliebenen Vehikel oder einem Unfall.

Alpleben mit Heuereinsätzen

Zurück bei der Hütte, wartet Pächterin Miriam mit einer wunderbaren Fleisch-Käse-Platte auf die hungrigen Mäuler. Vor der Hütte, die von einer einzigartigen Bergwelt umgeben ist, wird zu Mittag gegessen. Hinter der schmucken Hütte gackern ein paar glückliche Hühner und neben der Hütte werden im ehemaligen «Hüttenbrunnen» Salat und Kräuter gezogen.

Miriam Konrad bewirtschaftet unten in Klösterle zusammen mit ihrem Vater einen kleinen Betrieb. Je nach Bedarf geht entweder Urs Böniger oder Partnerin Miriam runter ins Tal, um ihren Vater bei der Heuernte zu unterstützen. Die achtjährige Annika würde auch gerne ins Tal – allerdings lieber in die Badi. Ihre Begeisterungsfähigkeit für das wunderbare Alpenpanorama hält sich in Grenzen. Die elfjährige Alina hat zusammen mit ihrem Bruder eine kleine Eidechse eingefangen. Nun geben sie ihr etwas zu trinken.

Miriam Konrad und Urs Böniger mit seinen Kindern Annika, Alina und Janik (von links).
Miriam Konrad und Urs Böniger mit seinen Kindern Annika, Alina und Janik (von links).

Vorgänger war Toggenburger

Mit einem Schmunzeln erklärt Urs Böniger, dass doch viele Toggenburger die Alpe Satteins kennen. Dies stelle er jeweils fest, wenn er mal wieder in der Schweiz sei. Dies ist dem weitherum bekannten, inzwischen aber verstorbenen, «Gruebe-Fredli» zu verdanken. Er bewirtschaftete die Alpe Satteins viele Jahre mit seinen eigenen Tieren.

Vater und Sohn beobachten die Ziegenherde.
Vater und Sohn beobachten die Ziegenherde.

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